Die deutsche Götterlehre
Edda nach ist das Feuer des Windes (d. i. der Luft) und des Meeres (d. i. des Wassers) Bruder und allen ältern Völkern galt es als ein gieriges, unersättliches, stets gefrässiges Wesen. Eben dieser Eigenschaften wegen hält man es in möglichst engen Grenzen, entringt es sich denselben, dann sagen wir heute noch, es sei ›ausgebrochen‹ oder ›ausgekommen‹, in Niederdeutschland, es sei ›los geworden‹, den Riesen gleich welche die Helden in Fesseln legten. Aus der Erde geschlagenes Feuer dämpften nach Tacitus Bericht die Ubier, indem sie es gleich einem wilden Thier schlugen und durch längern Gebrauch beschmutzte Kleidungsstücke in die Flamme warfen.
Wie das Wasser nur in seinem reinsten Zustande, so wie es eben der Erde entquillt, zu Heiligen Geschäften diensam galt, so auch nur das Feuer, welches eben erst erzeugt worden war. Wie das Rind oder Pferd, welches bereits in menschlichem Dienst gearbeitet hatte, der Göttin Wagen nicht mehr ziehen durfte und zum Dienst eines Gottes nicht mehr würdig schien, so auch die Flamme, welche bereits den Menschen zu profanen Verrichtungen gedient, die sich von Brand zu Brand fortgepflanzt hatte. Jene war gleichsam gezähmt, erschöpft, abgenutzt, nur die neue frische Flamme hatte eigentliche Heiligkeit und im Gegensatz zu jener zahmen hiess sie dies wilde Feuer. Es durfte dies aber wiederum nicht auf gewöhnliche Art erzeugt werden, nämlich durch Zusammenschlagen zweier Steine, sondern es musste aus dem lebendigeren Holze gewonnen werden und zwar durch Reibung. Solche Feuer nannte man, wie wir bereits früher gesehen haben, Nothfeuer . Die Art und Weise der Erzeugung dieses Feuers mag verschieden gewesen sein. Das einemal finden wir, dass ein Pfahl aus einer Hecke gerissen und mit einem Strick umwunden wird, den man so lange hin und her zieht, bis er Feuer fängt; ein anderesmal wird eine hölzerne Winde in einem in der Erde befestigten Eichenpfahl so lange umgedreht, 80 bis sie Feuer gibt, welches mit Stroh oder aber mit neunerlei Holz aufgefangen wird. Wieder anderemale wird ein neues Wagenrad zu diesem Behuf umgedreht, oder das Feuer wird aus dem Holze gesägt. Bedeutsam und alt ist, dass in Norddeutschland die Pfähle vor Sonnenaufgang und unter feierlichem Schweigen eingegraben werden müssen, so wie dass im Halberstädtischen zwei keusche Knaben die Stricke ziehen. An vielen Orten muss vorher jeder Bürger alles Feuer in seinem Hause löschen und zur Entzündung des neuen Feuers einen Brand aus dem Nothfeuer mit nach Hause tragen. Wir wissen bereits, dass alles Vieh durch die reinigende, heilige Flamme getrieben und dadurch vor der Seuche bewahrt wird. Auch nahm man abgelöschte Brände mit sich und legte sie in die Krippen.
Neben diesem nur zeitweise und unregelmässig wiederkehrenden Feuer gab es aber auch andere, deren regelmässige Wiederkehr wir bereits kennen, so das Herbstfeuer oder Martinsfeuer, welches wir auf Wuotan, das Frühlings- Peters- oder Osterfeuer, welches wir auf Donar bezogen. Beide flammten vorzugsweise auf Bergen oder Hügeln, dagegen liebte man es, das gleich ihnen fast in ganz Europa jährlich entzündete Johannisfeuer in den Strassen der Dörfer und Städte, 81 oder ähnlich dem Nothfeuer in der Nähe der Wohnungen der Menschen lodern zu lassen. 82 Dies Letztere heisst mit einem ältern auch jetzt noch hin und wieder üblichen Namen Sunwentfeuer , weil um Johannis die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat und sich nun wieder wendet zu niedrigerm Stande, dessen unterste Stufe sie in der winterlichen Sonnenwende, um Weihnachten erreicht. Dem Alterthum war diese Zeit eine hochheilige, in welcher wie am Pfingsten grosse Volks- und Reichsversammlungen gehalten wurden. Welchem der Götter das Johannisfeuer flammte, ist noch nicht ausgemacht, sein heidnischer Ursprung jedoch über alle Zweifel erhaben. Wie in das Osterfeuer Eichhörnchen und Kränze geworfen werden, so wirft man in das Johannisfeuer ein Pferdehaupt, hier und da auch Blumen und Kränze. Unter Gesang werden die Scheiter und anderes dazu gesammelt, singend und bekränzt mit Beifuss und Eisenkraut tanzt man um die Flamme, springt auch wohl darüber, oder lauft durch die noch glimmenden Kohlen; dadurch glaubt man Gesundheit fürs ganze Jahr zu erhalten, man lässt gleichsam alles Uebel in dem Feuer, welches dasselbe vertilgt, wie das Wasser des Flusses zu derselben Zeit alles Unheil abwascht. Auch trug man Brände aus dem Feuer mit heim oder steckte sie auf die Felder;
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