Die deutsche Götterlehre
jene schützten das Haus, diese die Saat. Ebenso kochte man Erbsen in der Flamme, die als Heilmittel bei Quetschungen und Wunden galten und das ganze Jahr hindurch aufbewahrt wurden.
Neben diesen Feuern findet sich die Sitte, ein mit Stroh umflochtenes Rad von einem Berge herab rollen zu lassen. Sie kommt mitunter am Johannistage, öfterer in den Fasten vor.
Ein in den Märchen vorkommender Zug, dass Unglückliche und Verfolgte vor dem Ofen knieen, um ihn anzubeten, oder ihm ihr Leid zu klagen, beruht gleichfalls auf dem alten Feuercultus; man setze nur an des Ofens Stelle das in demselben lodernde Feuer und der alte Gebrauch ist hergestellt.
Gleich beweglich und darum gleich lebendig stellt sich dem kindlichen Glauben die Luft dar, d. h. weniger die ruhende, stille, als vielmehr die wogende, dem Wasser gleich Wellen schlagende Luft, der Wind, oder die in wechselnden Gestalt sich zeigende Luft, das Wetter. Gleich Wuotan ist sie die alldurchdringende, und Geist, welches wir auf Genien angewendet finden, ist Athem, Hauch.
In der Edda erscheinen die Winde der vier Hauptseiten als Zwerge, im deutschen Märchen finden wir sie als gefrässige Riesen und Söhne einer Mutter, als Brüder, und darin zeigen sie Verwandtschaft mit dem Feuer, welches wir auch als ein nimmersattes Wesen erkannten. 83 Daher suchte man, wenn der Wind allzusehr wüthete und tobte, ihn durch in die Luft geschüttetes Mehl zu beschwichtigen. Einer schwedischen Sage zufolge nahm der Nordwind einem Manne dreimal das Mehl und gab ihm später kostbare Geschenke dafür. Noch heute heisst es von scharf die Felder überstreichendem trocknem Winde, er fresse das Korn.
Die Gutmüthigkeit, welche er gegen jenen Mann beweist, finden wir ihm und seinen Brüdern auch in Deutschland beigelegt. Hat Jemand ein ihm theures Wesen verloren, so wendet er sich an die Mutter der alle Himmel und Länder durchstreifenden Winde. 84 Sie fragt ihre Söhne nach dem Verlorenen aus und diese tragen den Suchenden auf breiten Schultern an Ort und Stelle.
An einer Stelle der Edda wird erzählt, wie ein Riese in Adlergestalt an des Himmels Ende sitzt, von dessen Flügeln aller Wind komme. Auch diese Vorstellung war in deutschen Landen bekannt und zwar besonders in Niederdeutschland, während jene andere, welche drei oder vier Riesenbrüder in den Winden sieht, mehr im mittlern und südlichen Deutschland auftaucht. So glaubte man in Belgien, dass der Sturm ein gewaltiger, mit mächtigen Flügelschlägen die Lüfte durchsegelnder Vogel sei, der seine Freunde auf seinem Schwanze dahin trage.
Eine Art des Sturmwindes ist der Wirbelwind, den wir mit einem sehr bedeutsamen Namen » Windsbraut « nennen. Alle Sagen stimmen darin überein, dass sie ein unglückliches Weib sei, welches verwünscht sei, ewig also dahinzufahren. Man könnte in ihr die nach dem verlornen Gatten rastlos suchende Frouwa sehen, da überhaupt bei dem Wirbelwind die höchsten Götter ins Spiel kommen.
Mit dein Sturm steht Hagel, Regen und Schnee in engster Verbindung. Sie entströmen oder entfallen der die Luft durchziehenden Wolke (in welcher das Alterthum ein Schiff, ein Nebelschiff sah), aus welcher die Götter, oder deren Diener den zerschmetternden Hagel entsandten, oder den die dürre Erde tränkenden Regen, während das Volk noch heute, wie einst die Scythen, in den fliegenden Schneeflocken Bettfedern einer Göttin sieht und zwar der gütigen Holda, die mit denselben die Felder bedeckt und vor dem Frost schützt.
Heilig war unseres Alten die Erde , die nährende Mutter, aus deren Schooss die reiche Frucht entspriesst und der mit Obst beladene Baum, die in grünes Gewand sich kleidende, wenn der Frühling beginnt, in deren Schooss der aus dem Leben Geschiedene versenkt wird, dass er in Staub und Asche zurückkehre, der, wie die Kirche am Aschermittwoch sagt, aus Staub und Asche genommen ist. Sterben hiess darum der Vorzeit sehr schön, die Erde in der Mutter Schoss sinken. Ihr galt des Heimkehrenden erster Kuss, ihr vertraute der Unglückliche sein Leid und sein Geheimnis.
Besonders hatte die mit Gras bewachsene Erde, der Rasen, eine heilige Kraft. Der Schwörende legte die Hand auf grünen Soden, und der Kämpfende schwur, indem er sein Schwert an ein Rasenstück setzte oder dasselbe in die Erde steckte, wie Siegfried als er die drei Eide schwur. In Skandinavien wurde der feierliche Eid der Bundesbrüder unter grünem Rasen geleistet, woher die Ceremonie auch hiess: unter den Rasen gehn. Sie schnitten
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