Die deutsche Seele
bürgerliche Ängstlichkeiten für schonungslose Vitalität und Verausgabung plädierte - man würde sich gern mit ihm anfreunden. Nichts ist dagegen einzuwenden, dass Arbeit als »Element der Fülle und der Freiheit« zu entdecken ist. Das Unbehagen setzt ein, wenn man sich anschaut, was Jünger unter »Freiheit« verstand. Hier schlug die totalitäre Tradition von Luther über den preußischpietistischen Pflichtbegriff bis zu Hegel durch, Freiheit mit Gehorsam, mit Unterwerfung unters Mit diesem Ehrenzeichen schmückte Größe-Ganze zu verwechseln. So hatte Freiheit für Jün- die DDR ihre Helden der Arbeit, ger nichts damit zu tun, dass ich selbst entscheiden kann, ob und, wenn ja, für was ich mich verausgaben will.
Freiheit bedeutete, »Anteil zu haben an einem neuen, vom Schicksal zur Herrschaft bestimmten Menschentum«, seinen Platz im »Arbeitsplan« zu kennen. Das »tiefste Glück des Menschen« bestehe darin, »dass er geopfert wird, und die höchste Befehlskunst darin, Ziele zu zeigen, die des Opfers würdig sind«.
Mit dem Wissen, was eine nationalsozialistische und eine bloß sozialistische deutsche Arbeitsdiktatur angerichtet haben, möchte man ganz schnell den Sargdeckel über den Heldengesängen schließen und sich freuen, dass auch die Deutschen im Latte-macchiato-Lebensgefühl angekommen sind. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass selbst eine Hannah Arendt, die klug wie kein anderer Deutscher die Irrwege des Totalitären analysiert hat, darauf beharrte, dass das Glücksideal des modernen Konsumbürgers, genügend Zeit »für sich« zu haben, in der er schön Essen oder ins Kino gehen kann, ein »unseliges« ist.
»Das Leben ist der Güter höchstes.« An diesem Credo, zu dem sich die Deutschen erst seit wenigen Jahrzehnten bekennen - die im Westen schon etwas länger - und das ihnen in heroischeren Vergangenheiten nur als sein Gegenteil »Das Leben ist der Güter höchstes nicht« geläufig gewesen war, kommt niemand vorbei, der in einem Menschenrechtsstaat leben will. Das Problem, wie man das höchste Gut Leben davor bewahren kann, sich in hedonistischer Wurstigkeit zu erschöpfen und damit seinen Wert einzubüßen, ist damit nicht gelöst. Wie schrieb Hannah Arendt in ihrer Vita activa? »Es ist durchaus denkbar, dass die Neuzeit, die mit einer so unerhörten und unerhört vielversprechenden Aktivierung aller menschlichen Vermögen und Tätigkeiten begonnen hat, schließlich in der tödlichsten, sterilsten Passivität enden wird, die die Geschichte je gekannt hat.«
Sich in einer Arbeit aus freiem Entschluss zu verzehren - und wenn’s denn die Herstellung von Würsten ist - ist allemal besser, als vor Langeweile das Gras wachsen zu hören. Und offensichtlich sind sie nicht völlig ausgestorben, die Germanen mit den überschüssigen Energien, die unendlichen Streber, die schwäbischen Apfelschnitzerinnen, die schlichten Arbeitsmänner mit den guten derben Fäusten. Wie sonst ist zu erklären, dass einer der größten deutschen Baumärkte noch nicht Bankrott gegangen ist, obwohl er seit Jahren mit dem Spruch wirbt: »Es gibt immer was zu tun«?
>Abgrund, Doktor Faust, Fachwerkhaus, Feierabend, Gründerzeit, Hanse, Mystik, Ordnungsliebe, Sozialstaat
Bauhaus
»Die Menschheit hätte nichts verpasst, wenn die moderne Malerei vom Kubismus an, die moderne Musik von Schönberg an, die moderne Architektur vom Bauhaus an und die von mir bekämpfte magersüchtige Literatur nie existiert hätten«, sagte der amerikanische Großschriftsteller Tom Wolfe 1999 in einem Gespräch mit dem Spiegel.
Das Bauhaus ist in seiner Rolle einzigartig, nicht in seiner Leistung. Was die Leistung angeht, gibt es einen produktiven, aber unspektakulären Vorläufer und späteren Konkurrenten in Sachen Kunsthandwerk, den Werkbund.
Er wird lange vor dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1907, gegründet. Das Ziel ist, Handwerk, Kunst, Architektur und Industrie zusammenzuführen. Das aufstrebende Kaiserreich braucht Sachlichkeit, Funktionalismus und Standardisierung. Die Folgen der Industrialisierung sind zunächst ihre Begleiterscheinungen: Die Gesellschaft des Kaiserreichs fächert sich auf. Die Bürgerschicht fragt nach Unikaten, das Volk erwartet die Massenproduktion. Das Land lebt nicht nur von der Arbeit, es lebt auch vom Konsum.
So ist der Werkbund der Erfinder der Einbauküche. (Eine der Einrichtungen, die man, obwohl sie einen unschätzbaren Beitrag zur Erleichterung der Haushaltsarbeit darstellen, eher diskret
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