Die deutsche Seele
gemacht. Sie eignen sich für fast jede Bausituation. Die Stromlinie ist keine Ideologie und schon gar keine der Avantgarde. Sie verträgt sich zu gut mit dem Bestehenden. Bauhaus hat es durch die jüdischen Flüchtlinge in Tel Aviv gegeben. Bauhaus gab es in Bukarest und in den Vereinigten Staaten, in der DDR und in der Bundesrepublik. Das Bauhaus passte in die dreißiger Jahre und auch in die fünfziger. Schon 1950 zeigte das Münchner Haus der Kunst, vormals »der deutschen Kunst«, eine erste Ausstellung zum Bauhaus. Am gleichen Ort war 1937 einiges aus dem Bauhaus in der berüchtigten Abschreckungsausstellung der Nazis »Entartete Kunst« gezeigt worden. Gleichzeitig bedienten sich aber auch die Nazis der Bauhaus-Erkenntnisse. Selbst am Atlantikwall gab es Gefechtsstände im Bauhaus-Stil.
Der Nachlass des Bauhaus-Experiments ist gut geordnet. Man richtete ursprünglich in Darmstadt ein Bauhaus-Archiv ein, das sich heute in Berlin befindet.
Das Bauhaus ist als Markenname anscheinend nicht einmal geschützt. Das künstlerische Bauhaus hat es bei seinem Nachruhm sicher nicht nötig, und die Baumarktkette wohl auch nicht. Es konkurriert nicht mit dem Baumarkt, der Baumarkt erst recht nicht mit dem Künstlerhaus. Das Handwerk ist heute wieder Hobby, die Kunst nimmt es gelassen.
Gegensätze waren im Bauhaus ohnehin kein Thema. Das Bauhaus erklärt sich zum Neuen, ohne den Bruch zu inszenieren. So wird seine Entstehung zum Ergebnis einer logischen Entwicklung, zur Selbstverständlichkeit. Als würde die Linie bloß weitergezogen. Das künstlerische Bauhaus ist ein Phänomen der Weimarer Republik und eine Facette ihrer Legende. Weil man links war oder es sein wollte, zumindest aber volksnah, massengerecht, sollte alles Schöne auch nützlich sein. Wenn Gropius jedoch beim Start des Projekts 1919 in Weimar von der »Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen« spricht, fällt es einem schwer, nicht an ein dem Gesamtkunstwerk nachempfundenes Gesamtkunsthandwerk zu denken. Ist es nicht eine beinahe schon staatstragende Vision?
Das Bauhaus propagierte die angewandte Kunst, und Vater Staat hielt die Subvention bereit. Als Design- und Architekturprojekt und Lehranstalt hatte das eigentliche Bauhaus ein kurzes Leben, das kurze Leben der Weimarer Republik. Die Realität des Bauhaus verschwindet buchstäblich hinter dem mächtigen Mythos. Man fragt nicht, was vom Bauhaus übrig ist, sondern etwas ratlos: Was ist nun Bauhaus und was nicht?
In der jungen Bundesrepublik hielt man nach Persönlichkeiten wie Walter Gropius, Träger des Goethepreises der Stadt Frankfurt, und Mies van der Rohe Ausschau. Sie waren Galionsfiguren der Suche nach eigenen Traditionen, jenseits der NS-Apokalypse.
Der Bundesminister für Wohnungsbau erklärte 1968, das Bauhaus gehöre zur demokratischen Tradition in Deutschland. Das kam der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an das Bauhaus gleich. Es war das Siegel für den Mythos Bauhaus und der Freibrief für ein bundesrepublikanisches Lebensgefühl, in dessen Namen ein Sessel entworfen wurde, der besser zum Playboy Gunter Sachs als zum Revoluzzer Rudi Dutschke passte.
Seit der deutschen Einheit sind auch die Orte des Bauhaus wieder ins Blickfeld gerückt. Das Bauhaus stellt eine der touristischen Attraktionen der Stadt Dessau dar. Nur, allzu viel ist nicht mehr da, dafür haben Luftkrieg und Bautrupps der DDR gesorgt. Das Ensemble von Direktorenvilla und Meisterhäusern ist weitgehend zerstört. Die Rekonstruktion, auf die man sich geeinigt hat, folgt einem Prinzip der »Unscharfe«. Es wird also nachgebaut und gleichzeitig neu gestaltet. Man geht vom historischen Vorbild aus, ohne bei ihm zu bleiben.
Der Mythos macht es, dass alles Moderne wie Bauhaus aussieht. Zumindest im Nachhinein.
>Dauerwelle, Fachwerkhaus, Gemütlichkeit, Kitsch, Ordnungsliebe
Bergfilm
Eigentlich dürfte es dieses Genre gar nicht geben. Der Bergfilmer verachtet Vernunft und Wissenschaft und glaubt dennoch fest an des Menschen allerhöchste Kraft. Er kehrt der technisch zugerüsteten Welt den Rücken, um in die Berge zu fliehen, und hat dabei alles im Gepäck, was die jeweilige Film- und Kameratechnik hergibt. Der Großstädter ist ihm suspekt, gleichzeitig dreht er für ihn, damit dieser sich in seinem Hamburger und Berliner (und Pariser und New Yorker) Kinosessel eine Vorstellung davon machen kann, welche Stürme über dem Mont Blanc toben. Deutschland besitzt keine spektakulären Gipfel
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