Die deutsche Seele
in Erwähnung bringt. Solche Erfindungen haben einen banalen Zug, der von ihrem Gegenstand ausgeht.)
Am Anfang der Gebrauchskunst in Deutschland stehen zwei Ereignisse aus der Münchner Sezession. Der Künstler Richard Riemerschmid heiratet und findet keine passenden Möbel, um sein Heim einzurichten, und so entschließt er sich, selbst Möbel zu entwerfen. Etwa zur gleichen Zeit erhält der Architekt Peter Behrens von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) den Auftrag, die Werbemittel des Unternehmens zu gestalten. Es handelt sich um eine erste »Corporate Identity« in Deutschland. Riemerschmid und Behrens gehören zu den Gründern des Werkbunds. Dessen erste Werbebroschüre schreibt ein Jahr darauf Friedrich Naumann unter dem Titel Deutsche Gewerbekunst.
Teil des Vorhabens ist auch die von Henry van de Velde in Weimar eröffnete Kunstschule. Sie wird 1919 vom Werkbund-Mitglied Walter Gropius übernommen und zum Stützpunkt des von ihm begründeten Bauhaus gemacht. Werkbund und Bauhaus führen im folgenden Jahrzehnt eine Koexistenz. Gropius bleibt sogar Mitglied des Werkbunds. Gleichzeitig betreibt das Bauhaus eine aggressive Selbstdarstellung mit dem Ziel, sich als die Architekturmoderne schlechthin zu präsentieren. Das ist nicht weiter erstaunlich, befindet sich die Avantgarde als Überzeugungstäterin doch meistens an der Spitze der Karawane.
Gropius beschreibt den geistigen Horizont des Bauhaus im Jahr 1923 spätromantisch und expressionistisch zugleich: »Die Idee der heutigen Welt ist schon erkennbar, unklar und verworren ist noch ihre Gestalt. Das alte dualistische Weltbild, das Ich - im Gegensatz zum All - ist im Verblassen, die Gedanken an eine neue Welteinheit, die den absoluten Ausgleich aller gegensätzlichen Spannungen in sich birgt, tauchen an seiner statt auf. Diese neu aufdämmernde Erkenntnis der Einheit aller Dinge und Erscheinungen bringt aller menschlichen Gestaltungsarbeit einen gemeinsamen tief in uns selbst beruhenden Sinn. Nichts besteht mehr an sich, jedes Gebilde wird zum Gleichnis eines Gedankens, der aus uns zur Gestaltung drängt, jede Arbeit zur Manifestation unseres inneren Wesens. Nur solche Arbeit behält geistigen Sinn, mechanisierte Arbeit ist leblos und Aufgabe der toten Maschine.«
Das Bauhaus erscheint bald als einzigartig und unersetzlich. Es ist unersetzlich, weil es verstanden hat, sich unersetzlich zu machen. Dazu gehört, neben der Bauhaus-Idee, die geschickte Verbreitung dieser Idee. Das Bauhaus ist nicht nur durch seine Architektur- und Design-Vorstellungen modern, sondern auch durch die Selbstdarstellung und Eigenwerbung. Nicht weniger wichtig als das vom Bauhaus Gebaute ist die Begleitung der Sache durch seine Zeitschrift bauhaus und die eigenen Bücher.
Was man nun unter »Bauhaus« tatsächlich zu verstehen hat, ist, bei einer solchen Prämisse, gar nicht die Frage. Wichtiger ist, dass einem zu dem Begriff etwas einfällt. Dass man denkt, hoppla, das hat man schon mal gehört. Ob Flachdach oder Leuchte. Egal. Beide sind Erfindungen des Bauhaus. Das Flachdach könnte sogar ein Erkennungszeichen für das Bauhaus sein, aber wer mag heute noch Flachdächer? Die bekannte Leuchte jedoch, die zeitlos geformte Tischlampe, ist von Dauer.
Bei einer Umfrage in der Fußgängerzone würde ein Großteil der Befragten wahrscheinlich auf den Baumarkt für Werkstatt, Haus und Garten tippen, der den gleichen Namen trägt und den es 125-mal in Deutschland gibt, und so heißt es 125-mal: Im Bauhaus ist der Kunde König.
Man sagt: Das Bauhaus war zeitgemäß. Es gab den Leuten die Möglichkeit, zeitgemäß zu leben. Die Bauhaus-Avantgarde wollte nicht nur ein Spiel der Formen sein, sondern auch eine Auslotung des Sozialen im architektonischen Raum vornehmen. Das Bauhaus ergänzte die Architektur selbstverständlich durch die Innenarchitektur und verband Design mit Gebrauchswert. Eine geniale Idee, für deren Akzeptanz es allerdings kaum eine Erklärung gibt, es sei denn, man geht von dem Postulat aus, dass nach dem Sinn des Abstrakten aus Höflichkeit nicht gefragt werden muss.
Durch seine Botschaft von der Einfachheit der Architekturidee erweckte das Bauhaus den Eindruck, jedermanns Sache sein zu können. Harmonische Raumgestaltung und abstrakte Linie erzeugen die Stromlinienförmigkeit. Man hat ständig den Eindruck, das Wesentliche zu sehen. Mit der dynamischen Form sind die Bauhaus-Bauten anpas- Bauhaus-Wiege: Am Endpunkt der angewandten Kunst? sungsfähig
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