Die deutsche Seele
seine aufrechte Freude dran haben.) Der männliche Heroe betrachtet den Berg als Gegner, den es - mit mehr oder minder fairen Mitteln - zu bezwingen gilt; das Mädchen Junta befindet sich in friedlichstem Einklang mit der ganzen Natur. Sie selbst, Gestirne, Gestein, Pflanzen, Tiere sind zur romantisch-kosmischen Einheit verschmolzen, auch die Berge stellen keine bedrohliche Herausforderung dar, sondern sind harmonischer Teil des Ganzen.
Es ist nicht ohne Tragik: Ausgerechnet Leni Riefenstahl, die dem Bergfilm zwar nicht sein heroisches Pathos nimmt, ihn aber entmartialisiert, die das Erhabene zugunsten des Nur-Schönen zurückdrängt, der die stumpfe Dorfmeute ein Graus ist, deren Regiedebüt sich als Frühwerk des Ökofeminismus ausschlachten ließe, führt es doch den Mann als Natur-Schänder und -Ausbeuter vor - ausgerechnet sie wird diejenige sein, die mit ihrer Kamera Hitler zum Leinwand-Messias für die Massen verklärt, die seinen marschierenden Horden ästhetische Wucht verleiht.
Am 18. Mai 1932, nur wenige Wochen nach ihrer triumphalen Premiere im Berliner Zoopalast, schreibt sie so impulsiv, so gedankenlos, so ehrgeizig, wie sie zuvor Trenker und Fanck bestürmt hat: »Sehr geehrter Herr Hitler, vor kurzer Zeit habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine politische Versammlung besucht. Sie hielten eine Rede im Sportpalast. Ich muss gestehen, dass Sie und der Enthusiasmus der Zuhörer mich beeindruckt haben. Mein Wunsch wäre, Sie persönlich kennenzulernen. Leider muss ich in den nächsten Tagen Deutschland für einige Monate verlassen, um in Grönland zu filmen. Deshalb wird ein Zusammentreffen mit Ihnen vor meiner Abreise wohl kaum noch möglich sein. Auch weiß ich nicht, ob dieser Brief jemals in Ihre Hände gelangen wird. Eine Antwort von Ihnen würde mich sehr freuen. Es grüßt Sie vielmals Ihre Leni Riefenstahl.«
Der Rest ist Geschichte - hin und wieder begreiflich, häufig abstoßend, insgesamt zum Verzweifeln. Tatsache bleibt, dass Leni Riefenstahl für die Nazis zwei Parteitagsfilme und einen Wehrmachtsfilm dreht: Sieg des Glaubens, Triumph des Willens, Tag der Freiheit; dass sie 1940, auf dem Tiefpunkt ihrer moralischen Integrität angelangt, die Statisten für ihren zweiten und letzten Spielfilm Tiefland nicht mehr in einem entlegenen Gebirgstal rekrutiert, sondern in einem von den Nazis errichteten »Zigeunerlager« nahe Salzburg.
Hat Siegfried Kracauer also doch recht, wenn ihm das ganze Genre Bergfilm nicht geheuer ist?
Bundesrepublik Deutschland, nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute. Der Bergfilm ist tot. Seine Macher haben sich politisch verstiegen - oder werden noch im »Dritten Reich« selbst an den Rand gedrängt. Wie Arnold Fanck, der 1934, nach der endgültigen Entzweiung mit Riefenstahl, zwar noch einen Film über die legendäre Erstbesteigung des Mont Blanc dreht, dafür aber beim mittlerweile in der deutschen Filmbranche nach Allmacht strebenden Joseph Goebbels kein Lob erntet. Der Reichspropagandaminister hätte es lieber gesehen - historische Fakten hin oder her - dass kein Franzose, sondern ein Deutscher den höchsten Berg Europas erstbestiegen hätte. Mit dem Film über die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin betraut Goebbels denn auch nicht den Altmeister des Sportfilms - was zumindest nahegelegen hätte, schließlich war es Fanck, der 1928 den offiziellen Film von den Olympischen Winterspielen in St. Moritz gedreht hat -, sondern Leni Riefenstahl. Diese bedankt sich bei ihrem ehemaligen Mentor, indem sie fast sämtliche Kameraleute einsetzt, die durch seine »Freiburger Schule« gegangen sind, Sepp Allgeier eingeschlossen. Fanck selbst versucht sich noch an zwei weiteren Spielfilmen, den einen dreht er in Japan, den anderen in Chile und Patagonien, aber beiden Filmen ist die Verlegenheit anzusehen. In den späteren Kriegsjahren, als das einstige Bergfilmidol gar keine Aufträge mehr erhält, delegiert Leni Riefenstahl kurze Dokumentarfilme an ihn, über den Atlantikwall etwa oder den Bildhauer Arno Breker.
Nach 1945 ist Fanck endgültig arbeitslos. Nicht einmal sein Sohn vermag später zu sagen, wovon der Vater in jenen Jahren eigentlich gelebt hat. Als Holzfäller soll er sich zwischendurch verdingt haben. 1974 stirbt er im Alter von 8 5 Jahren als weitestgehend Vergessener.
Leni Riefenstahl ergeht es kaum besser: Die Amerikaner stufen sie nach Beendigung der Naziherrschaft zwar lediglich als »Mitläuferin« ein, in der Bundesrepublik beschränkt sich ihr
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