Die Deutschen
werden zum Teil als »Hilfspolizei« anerkannt. Selbst die hoffnungsfreudigsten Nationalsozialisten sind allerdings nicht davon überzeugt, daß sie die notwendige Zweidrittelmehrheit im neuen Reichstag bekommen werden. Und Goebbels ist klar, daß etwas Außerordentliches geschehen muß. Er schreibt in sein Tagebuch: »Wir werden ein Meisterstück der Agitation liefern … Der bolschewistische Revolutionsversuch muß zuerst einmal aufflammen. Im geeigneten Moment werden wir dann zuschlagen.« Hitler schließt seine großen Reden, etwa die im Berliner Sportpalast, mit den Worten: »Das ist mein Glaube: es wird wieder auferstehen ein neues Deutsches Reich der Größe, der Ehre, der Kraft und der Herrlichkeit! Amen!«
Und Göring erläßt an die Kommandostellen der Polizei einen Befehl, in dem es heißt: »Dem Treiben staatsfeindlicher Organisationen ist mit den schärfsten Mitteln entgegenzutreten. Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schußwaffengebrauchs von mir gedeckt. Wer hingegen in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen.« Gleichzeitig wird die Presse der Kommunisten wie der Sozialdemokraten in einem solchen Maße geknebelt, daß von Pressefreiheit keine Rede mehr sein kann. Aber die Opposition gegen Hitler bleibt passiv: es kommt zu keinen Straßenkämpfen und zu keinen gewaltsamen Exzessen. Goebbels wartet umsonst. Es ist höchstwahrscheinlich seine Idee, dem Wahlkampf durch den Reichstagsbrand eine besondere Richtung zu geben.
Am 27. Februar 1933 steigt Marinus van der Lubbe um 21 Uhr 03 in den Reichstag ein, um mit Kohlenanzündern das Parlamentsgebäude anzustecken; es ist indessen anzunehmen, daß Brandstifter sich bereits an Ort und Stelle befinden. Aus der Wohnung des Reichstagspräsidenten Göring am Königsplatz, die durch die gleiche Anlage wie der Reichstag beheizt wird, führt neben den Heizungsrohren ein Gang in den Keller des Parlamentsgebäudes. Durch diesen Gang dürften die Brandstifter in das Reichstagsgebäude gelangt sein. Hitler, der an den Brandort eilt, erklärt vor den Zeitungskorrespondenten: »Das ist ein von Gott gegebenes Zeichen! Niemand wird uns daran hindern, die Kommunisten mit eiserner Faust zu vernichten.« Und zu einem englischen Journalisten: »Sie sind Zeuge einer großen, neuen Epoche in der deutschen Geschichte. Dieser Brand ist ihr Beginn!« Noch in der gleichen Nacht werden 4000 Kommunisten, Sozialdemokraten und »verdächtige Personen« nach vorbereiteten Listen verhaftet. Vorbereitet ist auch bereits die »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat«, die am 28. Februar veröffentlicht wird. Der Paragraph 1 lautet: »Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reiches werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechtes der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahme sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig.« In den übrigen Paragraphen liest man immer wieder die Worte Tod und Todesstrafe.
Damit ist der lang gefürchtete Staatsstreich durchgeführt. Aber Hitler und sein Anhang wollen dem deutschen Volk weiter Legalität vorspielen. Der Wahlkampf liefert dafür allerdings schlechte Beispiele. Göring verkündet auf einer Wahlversammlung: »Ich habe keine Gerechtigkeit auszuüben, sondern zu vernichten und auszurotten!« Auf den Wahlplakaten der Nationalsozialisten ist zu lesen: »Der Reichstag in Flammen! Von Kommunisten in Brand gesteckt! So würde das ganze Land aussehen, wenn der Kommunismus und die mit ihm verbündete Sozialdemokratie auch nur auf ein paar Monate an die Macht kämen! Brave Bürger als Geiseln an die Wand gestellt! Den Bauern den roten Hahn aufs Dach gesetzt! Wie ein Aufschrei muß es durch Deutschland gehen: Zerstampft den Kommunismus! Zerschmettert die Sozialdemokratie! Wählt Hitler – Liste 1.«
Hitler und Göring nehmen Kontakt mit deutschen Industriellen und Bankiers auf, um ihnen »finanzielle Opfer nahezulegen«. Eine Reihe von ihnen beschließt, der nsdap einen Wahlfonds von insgesamt 3 Millionen Reichsmark zur Verfügung zu stellen.
Das
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