Die Deutschen
Untertanen begründeter gewesen sein. Unaufhörlich erwarben oder bauten oder reisten die Äbte; unaufhörlich mußten die Untertanen steuern. Schon 1492 war hierüber ein Aufruhr ausgebrochen; aber er hatte zu keiner Abhilfe geführt. Fortwährend wurden die freien Bauern, die noch sehr zahlreich in dem Stifte saßen, zum Stande der Zinser, die Zinser zur Leibeigenschaft herabgedrückt, die Leibeigenen zu Verschreibungen, die ihren Zustand noch verschlimmerten, genötigt; lehenfreie Höfe wurden eingezogen, zehntfreie Güter dem Zehnten unterworfen, das Schirmgeld der Bauern auf das Zwanzigfache gesteigert; die Gerichte der Märkte, die Nutzungen der Landgemeinden zog man ein: zuweilen ist die geistliche Gewalt angewendet worden, um diese Anmaßungen durchzuführen. Kein Wunder, wenn im Jahre 1523, als ein neuer Abt, Sebastian von Breitenstein, eintrat, die Untertanen nur mit dem Vorbehalt huldigen wollten, daß er ihre Beschwerden abstelle. Und wirklich ließ er dies anfangs hoffen; aber die dreizehn Tagsatzungen, die darüber abgehalten wurden, waren alle vergeblich. Der Abt rief zuletzt aus: Er wolle es dabei lassen, wie er es gefunden; würden die Untertanen ihm nicht gehorchen, so solle Georg Frundsberg über sie kommen. Wahrhaftig, eine sehr unzeitige Übertreibung der geistlichen Herrschaftsrechte, eben als niemand mehr an den Grund derselben, die göttliche Autorität dieser Geistlichkeit, glauben wollte.«
Im Februar 1525 erheben sich die Allgäuer wider den Bischof von Augsburg und schließen mit den Gemeinden von Kempten einen engen Bund. Wer sich in diesen Bezirken weigert, dem Bündnis beizutreten, dem wird ein Pfahl vor das Haus gesetzt – zum Zeichen, daß er ein »öffentlicher Feind« ist.
Den Allgäuern gesellt sich weiterhin der Haufe der Seebauern: Einwohner der weit um den Bodensee gelegenen Dörfer, bis über das Gebirge hin nach Pfullendorf.
Ein dritter Haufe bildet sich aus den Untertanen des Abtes von Ochsenhausen, des Freiherrn von Waldburg und anderer Herren und Städte. Mittelpunkt ist Baltringen.
Nirgendwo dürfen die Glocken mehr zum Gottesdienst geläutet werden. Wenn sie ertönen, bedeutet es Sturm.
Um diese Zeit gehen von Oberschwaben die »Zwölf Artikel«, das Manifest der aufständischen Bauern aus. »Ein jeder erfuhr«, schreibt Ranke, »was er zu erwarten, wofür er die Waffen zu ergreifen habe. Diese Artikel enthalten dreierlei Forderungen. Vor allem wird darin Freiheit der Jagd, des Fischfangs und der Holzung, Abstellung des Wildschadens in Anspruch genommen … Ferner dringen die Artikel auf die Abschaffung einiger neu aufgelegter Lasten, neuer Rechtssatzungen und Strafen, Wiederherstellung der hier und da eingezogenen Gemeindegüter … Endlich treten aber auch hier die geistlich reformierenden Bestrebungen ein; die Bauern wollen nicht mehr leibeigen sein: denn Christus habe auch sie mit seinem kostbaren Blute erlöst; sie wollen den kleinen Zehent nicht mehr zahlen, sondem nur noch den großen: denn diesen habe Gott im Alten Testament festgesetzt; hauptsächlich fordern sie das Recht, ihre Prediger selbst zu wählen, um von ihnen in dem wahren Glauben unterwiesen zu werden, ohne den sie nichts sein würden, als Fleisch und Blut, und zu gar nichts nütze.«
Alles in allem erstrebten die »Zwölf Artikel« der Bauern nicht mehr und nicht weniger als eine radikale Veränderung der bisherigen gesellschaftlichen Verhältnisse.
Und im Frühjahr des Jahres 1525 hatte es den Anschein, als ob es im weiteren Verlauf der Entwicklung zu einer großen, allgemeinen Revolutionierung der Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation kommen würde.
Am 6. und 7. März 1525 tagt ein Bauernparlament in Memmingen. Die Vertreter des Baltringer, des Allgäuer und des Seehaufens schließen sich zur Christlichen Vereinigung Oberschwabens zusammen. Am 22. März springt der Funke des Aufruhrs von Oberschwaben nach Franken über. Die von Hans Müller von Bulgenbach ausgesandten Boten hatten das Ihre dazu getan. Die Bauern der Rothenburger Landwehr erheben sich als erste. Die Zunftbürgerschaft von Rothenburg ob der Tauber stellt eine Reihe von kirchenreformatorischen Forderungen, die auch durchgesetzt werden. Von den religiösen Neuerungen zu den sozialen Forderungen ist nur ein Schritt: in Rothenburg reißt ein Ausschuß der Zünfte die öffentliche Macht an sich, die Bauerngemeinden sammeln sich zu einem großen Verband, und so ist Franken bald in offenem Aufruhr.
Im Odenwald
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