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Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Titel: Die Diagnose: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gapper
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hatte keine Ahnung gehabt, was sie damit eigentlich bezwecken wollte.
    »Haben Sie nicht versucht, ihn zu retten?«
    »Wieso das denn?«, fragte sie, als wäre ich schwer von Begriff. »Ich wollte, dass er für immer aus unserem Leben verschwindet. Ich wollte Harry wiederhaben.«
    »Und haben Sie bekommen, was Sie wollten?«
    Als sie daran dachte, sah sie zum ersten Mal glücklich aus. »Ja. Es war, als hätte der Schuss Harry aufgeweckt. Er übernahm die Führung. Ich stand nur da, schockiert über das, was ich getan hatte. Er nahm mir die Waffe ab und sagte: ›Du musst hier weg.‹ Er wischte meine Fingerabdrücke ab und feuerte noch einmal aus dem Fenster.«
    Nora zeigte mit der Waffe in Richtung Meer, als wollte sie die Flugrichtung des Geschosses nachzeichnen. »Das hat Harry gerettet«, sagte sie. »Nicht die Pillen. Nicht das Reden darüber.«
    Sie wiederholte es immer wieder – Reden, Reden, Reden –, und jedes Mal klang es verächtlicher. Ich überlegte, ob sie mich genauso hasste wie meinen Beruf und ob sie deswegen eine Waffe auf mich richtete. Ich hatte mich über die Regeln der Psychiatrie hinweggesetzt, aber ich war ihr auf die Spur gekommen, indem ich Fragen gestellt hatte. Fragen zu stellen hatte seinen Nutzen. Während ich ihr zuhörte, ging mir auf, dass Pagonis sich für einiges würde verantworten müssen. Sie hatte Nora beim Wort genommen und versucht, mich unter Druck zu setzen, um Harrys Verteidigung ins Wanken zu bringen. Die Fingerabdrücke auf der Waffe, die Schmauchspuren an Harrys Händen, der Anruf aus East Hampton in New York – sie war auf alles hereingefallen, was Nora inszeniert hatte, um sie von sich abzulenken. Ich mag naiv gewesen sein, aber sie hatte eine jämmerliche Vorstellung hingelegt.
    »Ich habe Felix in New York angerufen und ihm gesagt, er soll herkommen«, fuhr sie fort. »Ich konnte ja nicht im Range Rover wegfahren. Harry musste damit hergefahren sein. Es gab nur eine Möglichkeit, hier wegzukommen. Zu Fuß.«
    Ich nickte, denn ich wusste, wo sie hingegangen war. Sieh dich um , hatte Anna mir zugerufen. Nora hatte Greene in dem Raum erschossen, in dem wir saßen, und es waren nur wenige Meter nach draußen zum Rasen, und dahinter lag die Treppe in die Düne und ihre private Wildnis. Eigentlich war der Strand öffentlich zugänglich, doch in Wirklichkeit war er das nicht. Kein Fremder konnte sich ohne ihre Zustimmung dort aufhalten. Greene war in einem Cottage mit perfekter Fluchtroute erschossen worden – wo Nora ihn hingelockt hatte.
    »Ich ging den Strand runter, bis ich in die Nähe von Water Mill kam. Dort führt eine Straße bis zu den Dünen, und da habe ich auf Felix gewartet, dass er kommt und mich abholt. Er hatte in der Nähe ein Haus. Ich bin unter die Dusche gegangen, um mich zu säubern, und dann sind wir hierher zurückgefahren.«
    Erschöpft hielt sie inne, und ich überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Das Reden hatte den Augenblick der Konfrontation aufgeschoben, doch bald musste sie entweder die Waffe weglegen oder Gebrauch von ihr machen – wir konnten diese Pattsituation nicht ewig in die Länge ziehen. Wenn ich mich mit einem potenziell gewalttätigen Patienten in so einer Situation fand, zog ich mich zurück, doch das war hier nicht möglich. Schließlich wurde ihr Blick ein wenig weicher, etwas von ihrer Härte schwand.
    »Ich glaube, die sollten Sie mir geben, Mrs Shapiro.« Ich streckte die Hand aus und versuchte, möglichst nicht bedrohlich zu wirken.
    Nora sah mich ausdruckslos an, als ich nach vorn griff. Ich kann mich immer noch an ihre Miene erinnern, an das Fehlen jeglicher Emotionen, bei dem, was als Nächstes geschah. Sie sagte überhaupt nichts. Sie feuerte die Automatik einfach nur ab. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, und ich habe einen Blitz aus der Mündung vor Augen, doch den habe ich mir vielleicht auch nur eingebildet. Ich taumelte vor Schock zurück, doch sie verharrte in derselben Position, die Waffe immer noch auf mich gerichtet. Aufwallendes Adrenalin ließ mich erbeben, doch nach ein paar Sekunden wurde mir klar, dass sie über meine Schulter geschossen hatte.
    »Stehen Sie auf«, sagte sie, und ihre Stimme war genauso monoton wie ihr Gesicht ausdruckslos. In ihr war nichts, wo ich einhaken konnte – der Affekt der wahrlich Gefährlichen –, also tat ich, was sie sagte.
    »Gehen Sie rückwärts. Sehen Sie mich weiter an«, befahl sie.
    Als ich an die Stelle kam, wo Greene gestorben war, befahl sie mir,

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