Die Diagnose: Thriller (German Edition)
Enthüllung und Schuldgefühle, weil ich sie hintergangen hatte.
Ich spazierte zurück zur dreiundsechzigsten Straße und ging durch eine Öffnung in der Parkmauer den Hang hinunter zu den Joggern, die hier ihre Runden drehten. Ich weiß noch, dass ich unter einer Straßenlaterne stehen blieb, die in die Äste eines Baums ragte, und mir die schmiedeeiserne Art-nouveau-Lampenfassung ansah mit ihren vasenähnlichen Formen in den vier Ecken. Hinter mir hörte ich ein Schlurfen, doch als ich mich umdrehte, war da niemand. Es war wohl ein Jogger gewesen, dessen Schritte von den Sträuchern ringsum gebrochen wurden. Als ich weiter in den Park hineinging, blieb der Lärm zurück, und es wurde dunkler. Der Weg unter meinen Füßen wurde sandig, als ich zwischen zwei Softballspielfeldern durchkam.
Es war ruhig dort, obwohl die Lichter der Türme am Central Park South über die Bäume ragten und einen riesigen Steinhügel zu meiner Rechten im Dunkeln funkeln ließen. Es waren nicht viele Menschen im Park, und ich bekam kaum etwas mit, dafür war ich zu sehr mit dem beschäftigt, was Anna mir über Harry erzählt hatte. Ich hatte etwas über meinen Patienten − meinen ehemaligen Patienten − erfahren, was er mir nicht gesagt hatte, etwas, das alles, was passiert war, in ein anderes Licht rückte. Jetzt empfand ich noch mehr Mitleid mit Nora, die unwissend in diese quälende Situation geraten war.
Ich machte mir auch Sorgen um Anna. Noch spürte ich ihre Lippen auf meinen, und ich legte einen Finger auf die Stelle, wie um den Augenblick zurückzuholen. Doch unsere Beziehung, falls wir jetzt eine solche hatten, hatte auf äußerst kompromittierende Weise angefangen. Meinem Anwalt hatte ich ihre Existenz verschwiegen, und sie hatte ich angelogen, was mein Motiv für das Treffen mit ihr anging. Jetzt hatte sie mir etwas erzählt, was Joe unbedingt erfahren musste, und hatte mir die Lippen nicht nur mit einem Kuss versiegelt, sondern mit einem Versprechen. Sie hatte mich vor die Wahl gestellt, sie entweder zu hintergehen oder zu schweigen.
Auf einer Straße am östlichen Rand des Parks fuhren Autos vorbei, und ich ging durch einen Tunnel unter der Straße durch. Auf der anderen Seite war der Wollman Rink, im Winter Eislauffläche, den Sommer über Freizeitpark für Kinder. Er war für die Nacht geschlossen, doch auf einem Miniflugzeug auf dem Karussell blinkten ein paar Lämpchen grün und rot, und die Plastikgesichter eines Schweins und eines Esels grinsten fröhlich herunter. Ich wandte mich nach Norden und kam an einer für New York typischen Szene vorbei: eine Gruppe von Hundespaziergängern mit ihren Stadtkötern, die einander beschnupperten, während ihre Herrchen und Frauchen sich unterhielten, im Hintergrund das Plaza Hotel. Ich erinnere mich, dass ich über dieses Geschnatter am Rink lächeln musste. Ich ging weiter und kam in eine Ecke, wo die von den Gebäuden um den Park herum reflektierenden Lichter von Bäumen verdeckt wurden.
Erst einen Sekundenbruchteil bevor er mich niederschlug, hörte ich etwas. Den einen Augenblick spazierte ich friedlich durch eine Senke an einem kleinen See, im nächsten Augenblick rammte er mir schon seine Schulter in den Bauch, riss mich herum und schlug mich von den Füßen. Er war den Hang heruntergelaufen gekommen und hatte sich auf mich gestürzt wie ein Besessener. Während er mich umwarf, schlang er die Arme um meine, sodass ich den Sturz nicht abfangen konnte und mit dem Kopf seitlich im selben Augenblick auf den Boden schlug wie mit der Schulter. Meine Schläfe knallte auf einen kleinen Stein, und meine Wange wurde in den Schmutz gedrückt, als wir den Hügel runter auf den See zurollten, außer Sichtweite derer, die vom Rink oder dem Pfad hier herunterschauten. Schmerz explodierte in meinem Kopf wie ein Vulkan, und ich war halb blind von Sand und Erde, die mir in die Augen geraten waren. Alles, was ich noch erkennen konnte, waren verschwommene Lichter. Als wir endlich liegen blieben, lief mir Blut in die Augen.
Im Rollen hatte er mich nicht festhalten können, und ich wollte wegkriechen und laufen, doch benommen und halb blind, wie ich war, kam ich nicht weit. Nach wenigen Schritten stolperte ich über einen Stein, und er fing mich ein, indem er sich nach vorn warf und mit einer Hand meinen Knöchel packte. Ich tauchte kopfüber in die Dunkelheit, und er landete auf mir und presste mir noch einmal die Luft aus der Lunge.
Ich lag auf dem Rücken, die Beine über mir am Hang,
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