Die Diagnose: Thriller (German Edition)
wollte Kinder.«
»Und Sie nicht?«
»Doch, schon. Will ich immer noch. Aber ich hatte keine Wahl. So ist das in dem Job.«
Sie bedachte mich mit einem spröden Lächeln, und ein paar Minuten später war unser Treffen vorbei. Sie fragte mich nicht, wie viel eine Therapie kosten würde − es schien sie genauso wenig zu interessieren, wie es Harry interessiert hatte. Wir verabredeten, dass sie in der kommenden Woche um dieselbe Zeit wiederkommen würde, und ich öffnete ihr die Tür. Genauso, wie sie gekommen war, ging sie zum Aufzug, die Tasche an der Seite, den Kopf hoch erhoben, der Stoff ihres teuren Hosenanzugs raschelte beim Gehen ein wenig. Ich konnte mich an keinen Patienten erinnern, der in so guter gesundheitlicher Verfassung in Therapie gekommen war.
Am Abend war ich zu Hause, aß ein Sandwich und zappte wahllos durch die Fernsehkanäle, um mich abzulenken, als Bob vom Empfang anrief, um mir mitzuteilen, dass zwei Detectives da seien, die mich sehen wollten.
»Schön, schicken Sie sie rauf«, sagte ich so beiläufig wie möglich, auch wenn sie sich nicht angekündigt hatten.
»Klar, Doktor.«
Seine Stimme hatte die zurückhaltende Neutralität des Portiers. Unmöglich zu sagen, ob er glaubte, dass ihr Besuch reine Routine war, wie ich mit meinem lässigen Tonfall suggerieren wollte, oder ob er davon ausging, dass sie mich in wenigen Minuten in Handschellen aus dem Gebäude führen würden. Als ich aus der Wohnung spähte, kam Hodge den Flur runter auf mich zugeschlurft, als hätte er schon bei unserer ersten Begegnung nicht viel von mir gehalten und hätte sich seither in seiner Sicht voll und ganz bestätigt gefunden. Pagonis hatte ein Dokument in der Hand, mit dem sie beim Gehen leicht gegen die Wand klopfte.
»Wir sind hier, um Ihnen das hier zu geben«, rief sie in hämisch vergnügtem Tonfall. Sie blieb vor mir stehen und hielt mir ein Dokument in einem amtlich aussehenden braunen Umschlag unter die Nase, mit roter Kordel verschnürt und einem knopfähnlichen Siegel versehen.
»Kommen Sie doch einen Augenblick herein«, sagte ich. Dass sie ohne Vorwarnung gekommen waren und solche Selbstzufriedenheit ausstrahlten, war nicht gerade beruhigend. Ich wollte nicht, dass sie wieder gingen, bevor ich wusste, was sie mir da gebracht hatten.
Pagonis ging voran, Hodge drückte mich mit seinem Bauch im Vorbeigehen an die Wand. Sie trug einen Hosenanzug, der nicht ganz so schmeichelhaft war wie Laurens. Er war in einem hellen Grau und hatte Knitterfalten um die Knie und die Taille. Vermutlich war das Dienstkleidungsbudget der Polizei in Yaphank nicht ganz so hoch wie das der Banken. Während Hodge meine Bücherregale unter die Lupe nahm, trat Pagonis an das Fenster am anderen Ende des Raums, das nach Süden raus über einen weiteren Wohnblock auf eine Highschool und ein Mosaik aus Dächern mit Wassertanks und Klimaanlagenkästen ging.
»Hübsche Wohnung«, sagte sie. »Die Vorhänge hier gefallen mir. Mein Mann und ich suchen so was Ähnliches, aber wir werden uns nicht einig, wissen Sie?«
»Warum setzen Sie sich nicht?«, sagte ich und zeigte auf das Sofa. Ich hatte das Bedürfnis, sie zusammenzutreiben. Sie benahmen sich, als wären sie hier zu Hause.
Ich setzte mich, öffnete den Umschlag und zog drei Blätter heraus. Auf dem ersten stand: »Zeugenvorladung vor die Grand Jury des Suffolk County«. Mir rutschte das Herz in die Hose, als ich las, dass die Staatsanwaltschaft verfügt hatte, dass ich in zwei Wochen in Riverhead zu erscheinen hatte, um eine Aussage zu machen. Um exakt das zu vermeiden, war ich zu Anna gegangen. Ich wusste nicht mal so genau, was eine Grand Jury war, obwohl ich natürlich schon davon gehört hatte, doch das Dokument war echt − Baer hatte es unterzeichnet.
»Mr Baer war nicht glücklich über unser letztes Treffen mit Ihnen. Das mit dem Anwalt aus New York«, sagte Pagonis. »Jetzt müssen Sie aussagen.«
Sie streckte die Beine auf meinem Teppich aus und zog die Zehen hoch, um die Wadenmuskeln zu dehnen. Die beiden hatten einen weiten Weg auf sich genommen, nur um mir eine Vorladung zuzustellen. Hatten sie nichts Besseres mit ihrer Zeit zu tun, zum Beispiel Kriminelle fangen?
»Mein Anwalt wird sich bei Ihnen melden«, sagte ich.
Pagonis schüttelte den Kopf. »Ihr Anwalt kann nicht zu einer Anhörung vor einer Grand Jury erscheinen. Da werden nur Mr Baer und Sie sein. Wir haben neue Beweise, die nahelegen, dass Sie uns nicht ganz die Wahrheit gesagt haben. Sie
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