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Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Titel: Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Gilbert Welch , Lisa M. Schwartz , Steven Woloshin
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wächst, ein Muttermal, das größer wird, oder neuerdings ein wenig Blut aushusten, dann sollten Sie einen Arzt konsultieren.
    Die Frage ist, ob Ihr Arzt nach diesen Krebsarten suchen sollte, wenn es Ihnen gut geht. Es mag so aussehen, als könne eine Früherkennung Ihnen nur helfen; aber sie kann Ihnen auch schaden, weil sie zu Überdiagnosen und unnötigen Behandlungen führen kann.
Laras Krankengeschichte: eine Diagnose jagt die andere
    In Kapitel 2 habe ich Ihnen Lara vorgestellt, eine fünfundsechzigjährige New Yorkerin, die sich von der Begeisterung ihres Arztes für eine Osteoporosetherapie mitreißen ließ. Wie Sie sich erinnern, galt sie in Bezug auf Knochenbrüche als Risikopatientin. Darum begann sie mit einer Hormonersatztherapie, die jedoch abgebrochen wurde, als randomisierte Studien belegten, dass sie Blutgerinnsel und Brustkrebs verursacht. Dann bekam sie ein Bisphosphonat, das abgesetzt werden musste, weil es eine schwere Speiseröhrenentzündung hervorrief. Danach nahm sie ein anderes Medikament, dessen Nebenwirkung ein schmerzhafter Ausschlag war. Schließlich schickte man sie zu einem Endokrinologen, um herauszufinden, wie man eine Krankheit behandeln sollte, die sie gar nicht hatte. Obwohl er keinen Grund hatte, sich Gedanken über einen Schilddrüsenkrebs zu machen, untersuchte er ihre Schilddrüse eingehend. 1
    Denken Sie daran, dass es Lara gut ging. Es gab keine Anzeichen für eine Schilddrüsenstörung. Aber sie wurde untersucht. In diesem Fall besteht die Untersuchung lediglich aus einem Abtasten nach verdächtigen Knoten. Manche Ärzte tun das, andere tun es nicht. Laras Arzt tat es, aus welchen Gründen auch immer. Und er fand einen Knoten in ihrem Hals. Solche Knoten haben viele Menschen, bei etwa 20 Prozent sind einer Studie zufolge Knoten in der Schilddrüse tastbar. 2 Laras Arzt schickte sie zu einer Ultraschalluntersuchung, die den Knoten bestätigte und zwei weitere aufspürte. Die meisten Menschen haben Knoten in der Schilddrüse, die mit Ultraschall feststellbar sind. Die eben erwähnte Studie zeigt, dass zwei Drittel der normalen Individuen solche Knoten haben. Das Ergebnis einer Nadelbiopsie lautete: Die Knoten könnten kanzerös, krebsartig, sein. Biopsien der Schilddrüse sind oft zweideutig, das heißt, sie können ein Karzinom weder eindeutig nachweisen noch ausschließen. Der nächste Schritt hätte darin bestanden, die Schilddrüse ganz oder teilweise zu entfernen, um herauszufinden, ob die Knoten bösartig waren oder nicht. Aber ein umsichtiger Chirurg machte dieser Flut von Diagnosen ein Ende.
Schilddrüsenkrebs
    Er hatte erkannt, dass nur sehr wenige Menschen an Schilddrüsenkrebs sterben. In den Vereinigten Staaten sind es jährlich etwa 1600. Die Zahl derer, bei denen Schilddrüsenkrebs diagnostiziert wird, beträgt 37 000 – sie ist also mehr als zwanzigmal so hoch. Es besteht eine große Diskrepanz zwischen der Zahl der Todesfälle wegen Schilddrüsenkrebs und der Zahl der Diagnosen, und sie ist noch größer als die Diskrepanz zwischen der Zahl der Todesfälle wegen Prostatakrebs und der entsprechenden Diagnose (eins zu sechs). Eine mögliche Erklärung dafür – wie Sie sich erinnern werden, gibt es ein ähnliches Problem beim Prostatakrebs – lautet: Die Schilddrüsenkrebstherapie ist sehr, sehr gut. Die andere, weniger optimistische Erklärung wäre: Viele der diagnostizierten Karzinome mussten überhaupt nicht behandelt werden. Wir brauchen uns nicht einmal zwischen diesen Alternativen zu entscheiden; beide können teilweise zutreffen. Vielleicht kommt Ihnen eine dritte Erklärung in den Sinn: dass wir uns inmitten einer tödlichen Krebsepidemie befinden. Wenn das zutrifft, gibt es eine Menge neuer Patienten, bei denen sich Krebs entwickelt. Sie haben noch keine Symptome und sind noch nicht gestorben; aber das ist unvermeidlich. Nur ziemlich extreme Bedingungen könnten zu einer solchen Diskrepanz führen. Zum Beispiel könnte eine Kernexplosion zahlreiche Neuerkrankungen an Krebs (vor allem an Leukämie) auslösen, die sich erst in einigen Jahren in der Statistik niederschlagen werden. Wie Sie gleich sehen, ist diese Erklärung in Bezug auf den Schilddrüsenkrebs unsinnig.
    Was den Schilddrüsenkrebs anbelangt, bin ich ziemlich sicher, dass das zweite Szenario am wahrscheinlichsten ist: Viele Karzinome brauchen nicht behandelt zu werden. Es gibt enorm viele Überdiagnosen bei Schilddrüsenkrebs. Wie beim Prostatakrebs stoßen wir auch hier auf ein

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