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Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Titel: Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Gilbert Welch , Lisa M. Schwartz , Steven Woloshin
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Aber diesen kleinen zusätzlichen Nutzen, der möglicherweise existiert, habe ich schon über Gebühr berücksichtigt, indem ich die Senkung des Sterberisikos mit 20 statt 15 Prozent angesetzt habe. Sie können also davon ausgehen, dass die Zahlen in Tabelle 6.1 nicht nur die Reduzierung der Todesfälle widerspiegeln, sondern auch das geringere Risiko einer Metastasenbildung.
    Oft wird auch behauptet, die Mammografie ermögliche eine weniger aggressive Therapie. Der Gedankengang ist einfach: Dank der Mammografie wird der Krebs entdeckt, bevor sich bei einer Frau ein Knoten oder andere Symptome entwickeln; und weil der Krebs früher entdeckt wird, ist er leichter zu behandeln. Die Folge sollten weniger Mastektomien (operative Entfernung der Brust) sein. Das mag bei einigen Frauen zutreffen; aber die randomisierten Studien zeigen, dass die Mammografie im Allgemeinen die gegenteilige Wirkung hat: Sie führt zu rund 20 Prozent mehr Mastektomien, nicht weniger. 11 Die Mammografie erhöht nämlich sowohl die Zahl der Frauen, bei denen ein invasiver Brustkrebs diagnostiziert wird, als auch die Zahl der Frauen, bei denen man mehrere kleine, im gesamten Brustgewebe verteilte Tumore entdeckt (in diesem Fall wird eine Mastektomie empfohlen).
    Aber die bei Weitem häufigste Frage, die mir gestellt wird, lautet: »Warum weisen Sie nicht öfter darauf hin, dass auch eine normale Mammografie nützlich ist, weil es eine Frau beruhigt?« Meiner Meinung nach wäre es beruhigend, wenn wir einer Frau sagen könnten, dass sie jetzt keinen Brustkrebs hat und in naher Zukunft auch keinen bekommen wird – aber, offen gesagt, ich glaube, wir überschätzen die Möglichkeiten dieser Untersuchung.
    Der Idealfall wäre eine eindeutige Mammografie. Aber rund ein Viertel der Tumore, die während des Folgejahres auftreten, sind auf der Mammografie nicht erkennbar. 12 Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens kann das Bild (oder der Radiologe, der es prüft) einen Tumor »übersehen«, und zweitens sind manche Tumore zur Zeit der Mammografie noch nicht vorhanden, sondern beginnen kurze Zeit später zu wachsen. Leider weist dieser zweite Grund auf einen aggressiveren Krebs hin, der häufiger zum Tod führt. 13 Eine normale Mammografie bedeutet also nicht, dass eine Frau im nächsten Jahr keinen Krebs bekommt. Es kann jedoch durchaus bedeuten, dass die Gefahr in diesem Jahr um etwa drei Viertel geringer ist – bis zur nächsten Mammografie.
    Sagt eine normale Mammografie etwas über die Zeit jenseits dieser Periode aus? Ich fürchte, die Antwort lautet nein. Eine normale Mammografie in diesem Jahr hat für das nächste Jahr kaum einen prognostischen Wert. Tatsache ist, dass den meisten bei einer Mammografie entdeckten Tumoren normale Mammografien im Jahr davor vorausgingen. Eine langfristige Anschlussstudie bei über 215 000 Frauen, die in New Mexico (einem der Staaten mit hervorragenden Krebsdaten und einem der ersten SEER-Register) normale Mammografien hatten, zeigt, dass ihr Risiko, in den folgenden sieben Jahren an Krebs zu erkranken, fast genauso groß war wie bei den Frauen der Gesamtbevölkerung im vergleichbaren Alter. 14 Eine normale Mammografie kann einer Frau zwar eine gewisse Beruhigung verschaffen, weil ihr Risiko, vor der nächsten Mammografie mit der Diagnose »Krebs« konfrontiert zu werden, geringer ist; aber darüber hinaus hat es wenig Informationen zu bieten. Wer einer Frau langfristige Prognosen stellt, nährt weitgehend eine Illusion.
    Ich vermute, dass ein großer Teil der Gefühle, die mit dem Wort Beruhigung verbunden sind, eher mit Erleichterung zu tun haben – Sie sind erleichtert darüber, dass Sie jetzt keinen Krebs haben. Natürlich kann die Furcht vor Krebs auch auf die Mammografie selbst zurückzuführen sein; denn Sie können nicht erleichtert sein, wenn Sie zuvor keine Angst vor Brustkrebs gehabt haben. Ich glaube, dass ein Teil – vielleicht der Großteil – der Furcht vor Brustkrebs die Folge der Vorsorgeuntersuchung ist. Das ist in etwa so, als würde man ein paar Leute einen Test schreiben lassen und ihnen vorher sagen, dass einige durchfallen werden. Diejenigen, die den Test bestehen, werden erleichtert sein. Aber man könnte auf diese Erleichterung verzichten, wenn der Test gar nicht erst stattfände. Es muss einen anderen Grund für den Test geben. Der Grund für die Mammografie ist das Bemühen, den Tod durch Brustkrebs zu verhindern. Das ist der Sinn einer Vorsorgeuntersuchung.
Die Nachteile der

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