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Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Titel: Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Gilbert Welch , Lisa M. Schwartz , Steven Woloshin
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Mammografie
    Viele Menschen haben irgendwann im Leben mit Brustkrebs zu tun – sie haben ihn oder sie kennen jemanden, der ihn hat, oder sie haben Angst, ihn zu bekommen. Diese Tatsache spiegelt teilweise die Verbreitung der Krankheit wider, vor allem aber den Einsatz der Mammografie. Damit Frauen sich röntgen lassen, muss man ihnen das Thema »Brustkrebs« bewusster machen, und die wirksamste Methode besteht darin, ihnen Angst einzujagen. In den Vereinigten Staaten wurde den Frauen eingeredet, dass es gefährlich ist, sich nicht röntgen zu lassen. Eine alte Anzeige der Amerikanischen Krebsgesellschaft deutete sogar an, Frauen, die eine Mammografie ablehnten, seien nicht ganz richtig im Kopf: »Wenn eine Frau keine Mammografie hat, muss sie mehr als ihre Brüste untersuchen lassen.« Die erste schädliche Wirkung der Mammografie besteht also drin, dass die Werbung die Bevölkerung ängstlicher macht.
    Die Untersuchung selbst ist nicht harmlos. Viele Frauen halten die Mammografie zwar für erträglich, aber andere finden sie mehr als unangenehm oder gar schmerzhaft. Hinzu kommt, dass Mammografien zu oft als anormal gelten. Das ist in den USA besonders problematisch, denn Schätzungen zufolge wird hier bei fast der Hälfte der Frauen, die sich zehn Jahre lang einmal jährlich untersuchen lassen, eine Abweichung entdeckt. 15 Manchen wird eine sofortige zweite Untersuchung empfohlen, anderen rät man, damit sechs Monate zu warten. Bei einigen wird eine Biopsie vorgenommen, und einige wenige haben bald den Eindruck, in einen endlosen Kreislauf von Untersuchungen geraten zu sein, weil ihre Aufnahmen irgendwie verdächtig sind. Und alle fürchten, Brustkrebs zu haben. Aber die große Mehrheit hat keinen.
    Dann gibt es noch das Problem der falsch-positiven Ergebnisse. Die Mammografie ist positiv (das heißt, man findet Anomalien), aber es ist kein Krebs feststellbar – das positive Resultat war also ein Irrtum. Man könnte hier von falschem Alarm sprechen. Die wenigen Studien zu diesem Thema lassen darauf schließen, dass die meisten Frauen diesen Nachteil hinnehmen. Doch während ich diese Zeilen schrieb, hatte ich zufällig ein Gespräch mit einer künftigen Angestellten, die mir sagte, sie werde sich aus genau diesem Grund nicht mehr röntgen lassen. Eine ihrer Mammografien war verdächtig gewesen. Sie war einige weitere Male untersucht worden, und zum Schluss hatte ihr Arzt eine schmerzhafte (und entstellende) offene Biopsie vorgenommen. Sie kannte die Vorteile der Vorsorgeuntersuchung, doch nun hatte sie auch einen ihrer Nachteile kennengelernt. Darum beschloss sie, künftig auf beides zu verzichten.
    Ein weiterer Nachteil der Mammografie wird seltener erwähnt: Die Diagnose »Krebs« wird früher gestellt, ändert aber nichts an den langfristigen Folgen. Man kann die Karzinome, die durch Mammografie entdeckt werden, in drei Gruppen einteilen: 1. klinisch bedeutsamer Krebs, der leichter zu behandeln ist, weil er früher entdeckt wurde (dies ist der Nutzen der Mammografie); 2. überdiagnostizierter Krebs (darauf gehe ich gleich ein); 3. klinisch bedeutsamer Krebs, der nicht besser behandelt werden kann, obwohl man ihn früher entdeckt hat. Die meisten durch die Mammografie entdeckten Karzinome – mehr als 90 Prozent – fallen in eine der beiden letzten Kategorien. 16 Die Patientin, die der letzten Gruppe angehört, wird vielleicht geheilt, einerlei, ob ihr Krebs klinisch (nach dem Auftreten von Symptomen) oder durch die Mammografie entdeckt wurde; oder sie stirbt an Krebs, unabhängig davon, wann und wie er diagnostiziert wurde. Der Nutzen der Mammografie für diese Gruppe ist einfach zu beschreiben: Frauen erfahren, dass sie Brustkrebs haben und werden früher behandelt, als es ohne die Mammografie der Fall gewesen wäre. Aber sie haben keinen Vorteil von der Früherkennung, sondern werden lediglich in jüngeren Jahren zu Brustkrebspatientinnen.
    Die stellvertretende Leiterin der Brustkrebsstudie war dankbar dafür, dass ihr dieser Ärger erspart blieb. Im Alter von neunundsechzig Jahren suchte sie einen Chirurgen auf, um einen Knoten in ihrer Brust untersuchen zu lassen. Auf einer diagnostischen Mammografie wurde eindeutig Krebs entdeckt. Die folgende Operation bestätigte die Diagnose. Der Krebs befand sich im Frühstadium, und es gab keine Anzeichen für Metastasen. Sie hatte also gute Chancen, geheilt zu werden. Der Chirurg prüfte ihre früheren Mammografien, und auch hier war der Tumor erkennbar, wenn auch

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