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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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sein Gesicht. Ihr schwerer Goldring hatte die Nase getroffen, aus der ein roter Rinnsaal zu sickern begann. Marie schob sich dazwischen.
    »Du machst alles nur noch schlimmer«, flüsterte sie ihrer Tante zu.
    »Von den Dingen, die wir in deinen Augen taten, verstehst
du sehr wenig. Nenne es Sünde, wenn du willst, doch wäre es deine Christenpflicht gewesen, uns nicht zu verleumden«, wandte sie sich so ruhig wie möglich an den Jungen. »Aber woher wusstest du davon? Haben es dir die Ritter erzählt?«
    Sie bemerkte Emmas ungeduldigen Blick, ließ sich aber nicht beirren. An dem Hass dieses Jungen war nichts zu ändern. Sie wollte nur noch die Hintergründe erfahren.
    »Régnier de Rancon sprach mit mir«, erklärte er mit einem aufgeregten Funkeln in den Augen an Emma gewandt. »Ich habe den Liebesbrief für ihn geschrieben, und zur Belohnung erfuhr ich, was vorgefallen war. Das hatte er mir versprochen. Ich wusste von Anfang an, dass Ihr eine wahre Tochter Evas seid. Ihr habt mich verspottet, als ich hier bei dem Wettbewerb der Troubadoure auftrat, aber in Wahrheit verdient Ihr selbst nichts außer Schande und Schmach.«
    Marie umklammerte Emmas Handgelenk, um sie von einem weiteren Schlag abzuhalten.
    »Und was hast du über mich gehört, um dir das Recht herauszunehmen, meinen Namen in den Schmutz zu ziehen?«, beharrte sie.
    Denis Piramus zitterte vor Aufregung.
    »Ich sah Euch mit dem blonden Ritter im Palastgarten. Ertappte Euch bei der Sünde. Ihr kleidet Euch wie eine gottesfürchtige Frau, doch Eure Geschichten preisen die ehebrecherische Unzucht, und Ihr selbst lebt, was Ihr schreibt, denn es heißt, Ihr wäret vermählt, doch Euer Gatte hat Euch verstoßen, gewiss aus gutem Grund.«
    Seine Stimme hatte nun leiser geklungen, doch jagten diese Worte dennoch einen Schauer über Maries Rücken. Es war ihr in den letzten Monaten gelungen, Cadell endlich zu vergessen. Jetzt rückte er wieder in ihr Bewusstsein.
    »Es reicht!«, hörte sie Emma schreien. »Wirf diese Ratte aus meinem Gemach und sorge bei der Königin dafür, dass
er endgültig verschwindet. Soll er doch in den Straßen von Poitiers betteln, zu mehr taugt er nicht!«
    Der Hass brannte noch in den Augen von Denis Piramus, doch allmählich begann der Junge zu ahnen, welche Folgen sein Verhalten wohl haben würde. Marie zwang sich, so ruhig wie möglich zu sprechen.
    »Ich könnte dich tatsächlich aus dem Palast jagen lassen, aber das will ich nicht tun. Du urteilst über Dinge, die du nicht kennst und nicht zu begreifen vermagst. Geh jetzt einfach. Versuche, bessere Gedichte zu schreiben, anstatt jene zu verfluchen, die erfolgreicher sind als du.«
    Sie atmete tief durch, trotz allem erleichtert, die Hintergründe der Gerüchte aufgeklärt zu haben. Jetzt musste sie nur eine Möglichkeit finden, all dies Jean zu erklären. Vielleicht würde Robert …
    »Ihr haltet Euch für gutherzig, nicht wahr?«, unterbrach Denis höhnisch ihre Gedanken. »Ich soll Euch die Hand küssen, weil mir vergeben wurde. Als ob Euch zu trauen wäre! Der Ritter, der zu Euch hielt, muss gerade eben den Preis dafür zahlen. Régnier de Rancon und seine Freunde wollen ihn beim Turnier in einen Hinterhalt locken, damit er eine gehörige Tracht Prügel bekommt. Ihr aber habt ihn schon lange nicht mehr angesehen, wie es eben die Art treuloser Weiber ist.«
    Marie überlief ein kalter Schauer. Sie übersah Emmas verwirrten, neugierigen Blick und packte den Arm des jungen Klerikers so heftig, dass er ein leises Wimmern ausstieß.
    »Woher weißt du das? Du lügst doch!«
    »Ich weiß es von Régnier, für den ich noch weitere Briefe verfasst habe. Er hasst es, wenn ihn jemand lächerlich macht. Der blonde Ritter ist ihm lästig geworden. Vielleicht bringt er ihn auch um, so ein Unglück gibt es bei Turnieren. Ihr habt doch selbst darüber geschrieben.«

    Er verzog spöttisch die schmalen Lippen. Marie sah, wie ihre Hand sich hob, um das blasse Jungengesicht nochmals zu ohrfeigen. Diesmal floss ein dicker Schwall von Blut aus seiner Nase. Er wandte sich erschrocken um, doch sie packte die Kordel seiner Kutte und hielt ihn eisern fest. Tief in ihrem Inneren konnte sie nicht begreifen, über wie viel Kraft sie auf einmal verfügte. Denis Piramus zappelte, doch wagte er nicht sie anzugreifen.
    »Du erzählst mir jetzt alles, was du weißt«, zischte sie eisig. »Und wenn ich den Ritter nicht mehr retten kann, dann bettelst du schon heute Abend vor dem Palasttor.«
    Der Junge

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