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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Körper sich nach der schlaflosen Nacht dagegen wehrte. Jeder Schritt kostete sie unglaubliche Anstrengung.
    »Habt Ihr süße Träume gehabt, Demoiselle?«, wurde sie von Guy de Osteilli begrüßt, der bereits makellos gekleidet im großen Raum auf sie wartete. Das spöttische Funkeln in
seinen Augen ließ sie ahnen, dass er genau wusste, warum sie so übermüdet aussah. Sie antwortete nicht, lehnte auch die Scheibe Brot ab, die er ihr reichte.
    »Wie Ihr meint, aber Ihr werdet es bereuen. Erst in Saint Denis gibt es wieder etwas zu essen«, entgegnete er mit einem Schulterzucken. Marie nickte stumm, leerte nur den Becher Wasser, der auf dem Tisch stand.
    »Nun, dann lasst uns aufbrechen, Demoiselle. Euer Onkel wartet auf Euch. Habt ihr Eure Habseligkeiten eingepackt?«
    Marie schüttelte den Kopf und lief unaufgefordert los. Aus dem kleinen Raum holte sie Ovids Kunst der Liebe und die Pergamentrollen mit Sagen und Liebesgedichten, die Guillaume in Paris erworben, aber teilweise auch selbst geschrieben hatte. Sorgfältig schnürte sie ein Bündel. Sosehr sie manchmal über die Unwirtlichkeit der Ruine geklagt hatte, löste die Vorstellung, nun auf alle Zeit den Ort ihrer Kindheit verlassen zu müssen, tiefe Trauer aus. Sie schluckte ihre Tränen.
    »Ich habe gepackt«, meinte sie kühl, als sie wieder in den großen Raum kam. Guy de Osteillis glattes Gesicht verzog sich ungläubig.
    »Besitzt Ihr nicht mehr als dieses Bündel? Erstaunlich, angeblich wurde doch regelmäßig Geld geschickt. Hat der verrückte Gaukler es versoffen?«
    »Guillaume besorgte mir Texte und Schreibmaterial!«, zischte Marie empört. In Wahrheit war er meist mit leeren Händen und leerem Geldbeutel von seinen Ausflügen nach Paris zurückgekehrt, da er der Verlockung von Weinschänken wohl selten widerstehen konnte.
    »Als ob das Lesen bei der Erziehung einer Dame besonders wichtig wäre!«, sagte der Ritter nur. Besitzt Ihr denn keine anderen Gewänder als diese Lumpen?«

    »Mir genügen sie!«, antwortete Marie trotzig und hatte Lust, Guy de Osteilli sein abfälliges Lächeln vom Gesicht zu kratzen.
    »Bei Hofe genügen sie nicht mehr. Aber Euer königlicher Onkel wird Euch schon angemessen ausstatten. Vielleicht sollten wir trotzdem unterwegs etwas Hübscheres für Euch besorgen, damit man Euch in Chinon nicht gleich für eine Küchenmagd hält. Aber ist Eure Mutter nicht eine Küchenmagd gewesen?«
    »Meine Mutter schämte sich nicht dafür, eine Magd zu sein. Aber sobald mein Vater sie in ein anderes Gewand steckte, sah sie auch schon aus wie eine Dame. Da muss wohl Zauberei am Werk gewesen sein!«, entgegnete sie. Guy de Osteilli überhörte den zornigen Tonfall geflissentlich.
    »Und was wurde aus diesem Gewand?«
    »Sie ließ es zurück, als sie von meinem Vater Abschied nahm.«
    Marie sprach nur eine Vermutung aus.
    »Das war sehr stolz, aber nicht eben klug, denn ein solches Gewand hätte zu Geld gemacht werden können. Aber ganz gleich, was Eure Mutter tat, wir sollten jetzt endlich aufbrechen, damit wir in Saint Denis sind, bevor es dunkel wird.«
    Entschlossen trat er zur Tür. Maries Kehle wurde eng. Sie wies auf Cleopatra, die ihr sogleich entgegenflog.
    »Ach ja, der Papagei. Wollt Ihr den nicht besser hierlassen? Die Leute im Dorf können ihn sicher an einen durchreisenden Händler verkaufen und werden Euch dankbar sein, so mehr Münzen auf einmal zu sehen als jemals zuvor in ihrem Leben. Dadurch bleibt Ihr ihnen in guter Erinnerung, und sie werden Euch in ihre Gebete einschließen. Seine Hoheit der König hat einige solcher Vögel. Er wird Euch einen anderen schenken.«
    »Ich gehe nicht ohne diesen Vogel«, stieß Marie mühsam
hervor, entschlossen, dem Ritter endgültig die Stirn zu bieten. Er grinste nur.
    »Was für eine treue Seele Ihr doch seid! Euer zukünftiger Gemahl wird sich hoffentlich darüber freuen. Nehmt diesen Papagei meinetwegen mit, aber wie soll er reisen? Bleibt er auf Eurer Schulter sitzen?«
    Diese Frage lenkte Marie kurz von ihrer Trauer ab.
    »Ich fürchte, Cleopatra könnte erschrecken und wegfliegen. Sie braucht einen Käfig. Pierre …«, sie schluckte, fuhr aber entschlossen fort, »der Junge, den Ihr gestern Abend mit mir gesehen habt, hat so einen Käfig gebaut. Ich hole ihn schnell und fange meinen Papagei ein.«
     
    Wenig später erreichten sie Huguet, wo bereits zwei Pferde auf sie warteten. Guy de Osteilli wies auf eine goldbraune Stute.
    »Ein Zelter. Angeblich sehr gutmütig und hat

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