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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Tinktur begossen und hartnäckig gebürstet hatte. Sie saß steif im Sattel, musterte nur aus den Augenwinkeln erwartungsvoll ihre männliche Umgebung. Doch diesmal war
Aliénor nicht hinter Vorhängen versteckt, sondern ritt hoch zu Ross an Henris Seite heran. Der Stoff ihrer schlichten, eleganten Gewänder bewegte sich sanft mit jedem Schritt der weißen Stute, deren Reiterin ebenso majestätisch wirkte wie der Falke auf ihrem Arm. Die Königin neigte nur leicht den Kopf, um alle Anwesenden zu begrüßen, hob mit einer kurzen, aber höchst grazilen Bewegung die freie Hand, und von jenem Augenblick an hatte sie die Aufmerksamkeit der Ritter gefesselt. Sie drängten so unauffällig wie möglich ihre Pferde heran, um einen genaueren Blick auf die schöne Dame zu erhaschen oder gar ein paar Worte aus ihrem rot geschminkten Mund hören zu können. Henris Miene verfinsterte sich für einen Moment, dann lächelte er gutmütig. Er musste daran gewöhnt sein, dass seine Gemahlin bewundert wurde, doch meinte Marie zu spüren, dass sich dennoch ein wenig Unmut hinter der vorgetäuschten Gelassenheit verbarg. Das joviale Auftreten des majestätischen Bären war nur eine Seite seines Wesens, Marie ahnte in seinem gelegentlichen Brüllen noch eine völlig andere, die ihr weniger angenehm schien.
    »Wann geht es denn endlich los?«, hörte sie plötzlich Emmas Stimme. Ihre junge Tante wirkte wie gewöhnlich unzufrieden, was vermutlich mit Aliénors Auftauchen zusammenhing. Marie empfand ein wenig Mitgefühl. Sie selbst war es gewöhnt, übersehen zu werden, doch für eine Frau wie Emma musste die Gegenwart der Königin in der Tat ein Schlag ins Gesicht sein, den sie am Hofe ständig zu ertragen hatte. Aliénor war nicht nur schön, sie verstand es auch auf geschickte Weise, alle Blicke auf sich zu ziehen, ohne dabei einen bemühten Eindruck zu machen wie die steife, verkrampfte Emma.
    Dann fiel Marie auf, dass Guy de Osteilli einer der wenigen Männer war, die nicht wie gebannt auf die Königin starrten.
Er musterte alle versammelten Reiter mit dem gewohnten, spöttischen Gesichtsausdruck, als sei er Zeuge eines höchst albernen Schauspiels geworden. Plötzlich traf sein Blick den Maries. Sie erkannte Freundschaft darin, Verbundenheit durch einen gemeinsamen kritischen Geist.
    »Es ist immer wieder wie damals, als der Kreuzzug begann«, riss Torqueri Marie aus ihren Gedanken.
    »Der Kreuzzug? Du warst dabei?«
    Torqueri lächelte.
    »Dir muss doch bereits aufgefallen sein, dass ich eine der ältesten Damen der Königin bin«, meinte sie nur. »Ich war dabei, als sie als Gemahlin Louis von Frankreich ins Heilige Land zog. Sie verkleidete sich selbst und alle ihre Damen als Amazonen, ließ uns in Beinkleidern und Wappenröcken mit dem roten Kreuz der Kreuzritter galoppieren, in Stiefeln, die bis zu den Knien reichten, und mit Schwertern in der Hand. Gott, was wurden wir angestarrt! Aber genau das wollte Aliénor, weil sie wusste, dass die meiste Aufmerksamkeit ihr gelten würde. König Louis fiel fast vom Pferd, als er uns sah. Doch die anderen waren beeindruckt, das einfache Volk sank in die Knie und betete, als seien wir eine überirdische Erscheinung. Bei Henri kann Aliénor sich solche Eskapaden nicht erlauben, aber sie versteht es trotzdem, im Mittelpunkt zu stehen. Ich glaube, dieses Talent hat Gott ihr geschenkt.«
    Der Pfarrer in Huguet hätte in diesem Fall vom Teufel gesprochen, dachte Marie, doch verfolgte sie diesen Gedanken nicht weiter.
    »Wie war der Kreuzzug?«, fragte sie stattdessen.
    »Lang und anstrengend, aber auch faszinierend. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Pracht in fernen Ländern zu sehen ist. Schon Konstantinopel war eine einzige Schatzkammer. Ich war jung damals. Ich dachte, die Welt läge mir zu
Füßen und mein Leben würde ein einziges Abenteuer sein so wie das der Königin.«
    Torqueris Stimme war wehmütig geworden, als hinge sie Träumen nach, die unerfüllt geblieben waren. Marie drängte es, mehr von der Vergangenheit dieser freundlichen, traurigen Frau zu erfahren, als ein grün gewandeter Bursche herbeigeeilt kam und dem König etwas ins Ohr flüsterte. Henri blies in ein silbernes Horn. Sogleich begann ein wilder Galopp.
    Sie jagten durch den Wald. Das Bellen der Hunde hallte in Maries Ohren, während Bäume an ihr vorbeizogen und sie sich duckte, um nicht von einem Ast getroffen zu werden. Ein Stück versetzt erblickte sie Emmas Falben und merkte erleichtert, dass ihr eigenes Pferd

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