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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ich eine Straßendirne, die er gern mit auf sein Lager nehmen würde.«

    Trotz der Wärme im Saal begann Marie zu frösteln. Sie zwang sich, ihren Blick in jene Richtung zu lenken, wo Emmas Kopf hinwies. Neben dem großen, bärtigen Prinzen Rhys saß ein etwas kleinerer Mann in ähnlicher Aufmachung. Sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, das dunkle Haar bereits ergraut. Als er Maries Blick auf sich ruhen fühlte, grinste er sie an und offenbarte ein gelbliches Gebiss mit schwarzen Zahnlücken. Sie spürte ein Würgen in ihrer Kehle und schloss kurz die Augen, bevor sie sich wieder Torqueri zuwandte.
    »Als du geheiratet hast, wie gut kanntest du deinen Mann?«, fragte sie mit unziemlicher Direktheit, um sich von der neu aufsteigenden Panik abzulenken. Torqueri zögerte einen Moment mit ihrer Antwort, als habe sie Angst, dabei wieder von Emma belauscht zu werden. Glücklicherweise war ein Sänger in Begleitung mehrerer Akrobaten erschienen, der mit leicht schräger, unmelodischer Stimme die Geschichte eines tapferen Ritters vortrug, der für seinen König zahlreiche Schlachten gewann.
    »In Aquitanien gibt es wesentlich begabtere Sänger und schönere Lieder«, flüsterte Torqueri Marie ins Ohr. »Doch der König mag Heldengeschichten, keine Liebesgedichte.« Marie nickte. Sie fragte sich, warum Aliénor einen Mann gewählt hatte, dem die Liebe zu den feinen Künsten fehlte. Dieser Gedanke führte zu ihrer eigentlichen Sorge zurück. Torqueri begann leise zu erzählen.
    »Mein Gemahl war ein Graf aus der Normandie, Richard de Montemart. Mein Vater regelte diese Verlobung, während ich mit der Königin ins Heilige Land zog. Kurz nach unserer Rückkehr, als ich noch völlig entkräftet war, erfuhr ich davon. Zunächst fürchtete ich, mein zukünftiger Gemahl würde mir missfallen oder mich schlecht behandeln. Aliénor versprach mir ihren Schutz.« Sie verstummte kurz
und warf einen Blick auf die Königin, die mit ihrer Schwester tuschelte.
    »Doch es kam völlig anders«, fuhr Torqueri leise fort. »Mein Mann war von schöner Gestalt. Er hatte ritterliche Manieren und verhielt sich niemals grob zu mir. Bald schon war ich so leidenschaftlich verliebt, wie ich es aus den Liedern der Troubadoure kannte. Nur konnte ich keine Anzeichen solcher Gefühle an meinem Gemahl entdecken, sosehr ich auch darauf hoffte. Dienstboten trugen mir Gerüchte über seine Geliebte zu, die bereits lange vor mir ein fester Bestandteil seines Lebens gewesen war. Ich entdeckte diese Frau einmal zufällig während der Messe. Es tat fast weh, zu sehen, wie schön sie war. Ich war dumm gewesen zu erwarten, dass ein Mann in einer unscheinbaren Person wie mir mehr sehen könnte als ein notwendiges Übel zur Zeugung standesgemäßer Nachkommen. Aber auch in dieser Hinsicht strengte er sich nicht besonders an, denn seine Geliebte beanspruchte ihn die meiste Zeit.«
    Sie stieß ein bitteres Lachen aus und nahm einen weiteren Schluck Wein. Marie musterte das freundliche, weiche Gesicht, dessen erste Falten es nur klüger und gütiger wirken ließen. Konnte ein Mann sich eine angenehmere Gefährtin und bessere Mutter für seine Kinder wünschen als Torqueri? Doch wenn es um die Liebe ging, wurden Menschen wohl selten von Weisheit gelenkt.
    »Bist du freiwillig wieder an den Hof der Königin zurückgekehrt?«, fragte Marie.
    Torqueri nickte. »Ich sagte zu meinem Gemahl, dass ich das Leben bei Hofe vermisste und gern wieder in den Diensten Aliénors stünde. In Wahrheit hoffte ich, er würde mir diese Bitte ausschlagen, denn dies wäre ein Zeichen gewesen, dass ich ihm nicht völlig gleichgültig war. Doch er stimmte mit einem freundlichen Lächeln zu. So kam ich wieder
zu Aliénor, deren Ehe damals gerade annulliert wurde. Ich folgte ihr nach Aquitanien und später nach England. Und ich nenne mich weiterhin Torqueri de Bouillon, denn unter diesem Namen lernte meine Königin mich einst kennen.«
    Torqueri senkte den Kopf und starrte eine Weile schweigend auf die abgenagten Knochen vor ihr auf dem Tisch, als könne die Tatsache, dass von einem Hammel schließlich nur noch Gerippe übrig blieb, ihr auf seltsame Weise Trost schenken. Dann schüttelte sie sich, wie um unangenehme Erinnerungen loszuwerden.
    »Ehe und Liebe haben nichts miteinander gemein, Marie«, sagte sie gefasst. »Das wissen selbst die Troubadoure, denn sie beschreiben keine Leidenschaft unter verheirateten Paaren. Eine Frau muss ihren Ehemann hinnehmen, so wie er ist, denn dieses

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