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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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und sie wusste, dass Emma sie um diesen heimlich erhaschten Anblick seiner Nacktheit beneidet hätte. Guy hielt den Kienspan. Mit wem er sich unterhielt, ahnte Marie, wollte sich aber Gewissheit verschaffen.
    »Dein einstiger Dienstherr Roger de Clare hat deiner Familie übel mitgespielt, ich weiß«, hörte sie Guy sagen. »Aber deshalb kannst du uns nicht alle verdammen. Meinst du wirklich, dass der Prinz Rhys oder Cadell ap Gruffydd gerechtere Herrscher sind?«

    »Sie sind die Herrscher, denen Gott dieses Land geschenkt hat«, erwiderte Owein heftig. »Sie kennen unsere alten Lebensweisen und respektieren sie. Ihr Normannen habt nichts weiter als Regeln und Vorschriften, die ihr rücksichtslos durchsetzen wollt. Irgendwann werdet ihr jedem Mann vorschreiben, wie er sich auf eine Latrine zu hocken hat. Und entleert er seinen Darm auf andere Weise, dann drohen ihm harte Strafen.«
    Guys vertrautes Lachen erklang. Marie ahnte, dass er in diesem Moment eine Augenbraue hochzog und sich die Hand vor den Mund hielt.
    »Du bist köstlich, mein walisischer Barde. Glaub mir, König Henri würde deinen Humor zu schätzen wissen. Aber vergiss nicht, dieser König, den du für einen grausamen Tyrannen hältst, brachte Ordnung und Wohlstand nach England, nachdem Jahre des Bürgerkriegs es verwüstet hatten.«
    »Und jetzt will er diese Ordnung auch den Schotten und Walisern aufzwingen, obwohl ihn niemand darum gebeten hat«, kam es sogleich zurück.
    Guy trat zur Seite und steckte den Kienspan in einen Ring an der Wand, sodass Marie nun auch Owein sehen konnte. Er trug seine Chemise noch, aber sie war offen bis zum Bauchnabel. Der Sänger hatte einen glatten, kräftigen Körper. Guys Hand strich über das hübsche Koboldgesicht, glitt dann tiefer bis zu der Verschnürung von Oweins Beinkleidern, die er langsam zu lösen begann. Marie kannte diese Art, einen männlichen Körper zu streicheln, doch waren Guys Berührungen langsam und zärtlich, als empfinde er dabei ebenso viel Wonne, wie er seinem Gegenüber schenken wollte.
    »Wenn du alle Normannen hasst, dann musst du auch mich hassen, mein walisischer Barde«, flüsterte Guy.
    Owein stöhnte, während er den Kopf in den Nacken
legte und heftig zu atmen begann. Seine Augen schlossen sich.
    »Warum sagst du das?«, stieß er heiser hervor. »Du weißt, dass ich dich nicht hassen kann, selbst wenn ich es wollte.«
    Seine Lippen pressten sich auf Guys Mund. Ihre beiden Körper griffen mit hungriger Gier nacheinander und verschmolzen zu einer Einheit aus Küssen und Berührungen. Marie wurde endgültig klar, dass sie hier als heimliche Zuschauerin unangebracht war, aber sie konnte sich nicht rühren. Eine unbekannte Sehnsucht hielt sie fest. Sie sah, wie Guy den Sänger bauchwärts auf einen Tisch legte und seine Beinkleider hinabriss. Dann entfernte er den letzten Rest seiner eigenen Kleidung, der noch zwischen ihnen lag, um in den Körper des Sängers eindringen zu können. Sie pressten sich immer heftiger aneinander, sodass der Tisch unter ihnen zu wackeln begann. Marie konnte sich nicht von dem Anblick lösen. Was sie sah schien ihr ebenso abstoßend wie anziehend. Sie wusste, dass es Sünde sein musste, wenn zwei männliche Körper sich auf diese Art vereinten, doch niemals hatte sie Menschen derart hemmungslos und gierig nach Erfüllung streben sehen. Owein schrie auf. Sein Mund verkrampfte sich, als litte er an Schmerzen, doch als er erschöpft zusammensackte, strahlte sein Gesicht vor Glück. Guy stöhnte, warf seinen Kopf in den Nacken, um schließlich wie ein Toter auf den Rücken des Walisers zu sinken. Während ihre Körper noch bebten, schlangen sie die Finger ihrer Hände ineinander, als wollten sie sich durch diese Berührung Ruhe schenken.
    Marie schob die Tür noch mehr auf. Auf diese Weise sollte die Fleischeslust Menschen erfassen, das wusste sie, auch wenn niemand es ihr je erklärt hatte. Was bisher zwischen ihr und Cadell geschehen war, schien ihr nun die wahre Verirrung der Natur.

    Zu ihren Füßen raschelte es. Marie wandte sich erschrocken um und sah eine Gruppe von kleinen Schatten über die Stufen huschen. Einer von ihnen näherte sich ihrem linken Fellpantoffel. Gelbe, messerscharfe Rattenzähne blitzten auf. Nun war es Maries Schrei, der laut durch die nächtliche Stille hallte.
    Die Ratten eilten davon, doch sie selbst stand wie versteinert da. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie sündhaft und unverfroren es gewesen war, die Vereinigung zweier

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