Die Dienerin - Gesamtausgabe
obwohl er eine englische Schule besucht hatte. Er hatte den Akzent von seinen Eltern und manchmal war es ihm peinlich. Selda hatte den Akzent bemerkt, aber sie hatte sich darüber nicht lustig gemacht. Sie hatte Stil, und sie hatte Anstand. Etwas, was man immer seltener bei Menschen fand.
„Ich mag dich Selda. Du bist aufrichtig, du gibst dich so, wie du bist. Du verstellst dich nicht. Du scheinst in dir zu ruhen. Ich beneide dich darum, wirklich Selda, ich beneide dich darum.“
Selda hatte gerade Spagetti im Mund und schlürfte sie in sich rein. Sie musste laut lachen und steckte ihn damit an. Diese gefühlvolle Ansprache und ihr Anblick, das passte irgendwie nicht zusammen. Es steckte ihn an und beide prusteten und gackerten. Der Speisesaal war einfach zu fein für die beiden, wenigstens für diesen Moment. Selda spürte, als wären beide gerade Komplizen, wie zwei Freunde, die gerade Äpfel geklaut hatten. Sie waren beide in Augenhöhe. Und das machte alles leichter, schöner, vertrauter.
„Ich mag dich auch John. Du bist so anders.“
„Wie anders Selda?“
„Du bist nicht eingebildet, nicht hochnäsig. Du hast etwas Sanftes, Empfindsames. Du kannst dich durchsetzen, aber bist auch sensibel gegenüber den Gefühlen von anderen, man fühlt sich wohl und sicher in deiner Nähe.“
John lächelte, er sah so entspannt aus. Selda wusste, er war jetzt offen und würde ihr jede Frage beantworten. Und das wollte Selda ausnutzen. Die Tür war sperrangelweit offen, und sie wollte endlich durchgehen.
„Warum macht Simone das mit John? Seit unserem ersten Tag frage ich mich das. Ich weiß, dass deine Frau das alles absegnet, aber ist es nicht unkomplizierter eine Frau zu haben?“
„Ah Selda, du wirst es nicht glauben, aber seit es dich gibt, ist mein Leben so einfach wie schon lange nicht mehr. Simone lebt ihr Leben und ich lebe meines. Sie kommt schon auf ihre Kosten, das kannst du mir glauben.“
John berührte einen wunden Punkt bei Selda. Sie erinnerte sich an das Gespräch mit Simone, wo sie ihr ihre Scham präsentiert hatte. Simone hatte ihr unmissverständlich gesagt, dass auch sie Sex mit John hatte. Damals war es Selda egal, schließlich war Simone John´s Frau, aber seit dem war alles anders. Selda fühlte anders, ihre Gefühle zu John hatten sich geändert, sie fühlte sich ihm immer näher.
„Und du schläfst mit ihr“, sagte Selda schon fast schüchtern. Sie fand die Frage absurd, aber sie wollte es einfach wissen.
John riss völlig überrascht die Augen auf, seine Verwunderung war nicht gespielt. Selda hatte Angst vor seiner Antwort, und sie kam wie aus der Pistole geschossen.
„Gott im Himmel nein, hat sie das gesagt? Wir haben keinen Sex, seit Jahren schon nicht mehr. Ich gebe Simone nicht die Schuld, obwohl das Leben manchmal mit ihr sehr hart ist. Nachdem unsere Tochter entführt wurde, machten wir eine sehr harte Krise durch. Natürlich ist es für eine Mutter härter, als für einen Vater. Ich litt stumm, ich fing an zu trinken aber Simone lebte ihre Trauer aus, sie schrieb Tagebuch, sie kontaktierte Wahrsagerinnen. Was absolut abstarb, war unser Liebesleben. Wir haben nicht einziges Mal Sex gehabt, nachdem unsere Tochter entführt wurde. Anfangs dachten wir beide nicht daran, aber die Wochen verstrichen und ich sehnte mich nach Zuwendung, nicht unbedingt Sex, aber einfach nur körperliche Nähe. Simone konnte sie mir nicht geben. Jedes Mal wenn ich sie berührte, zuckte sie zusammen. Sie gestand mir, sie fühle sich schuldig, sie könne mir diese Art von Liebe nicht mehr geben. Irgendwann schaute ich mich um, und gab nach, wenn eine Frau sich mir anbot. Es uferte aus, ich hatte manchmal bis zu drei Frauen an einem Tag. Ich betäubte so meinen Schmerz, ich konnte nicht anders. Es war wie eine Droge.“
Es machte Klick i n Seldas Seele. Es war wie eine Droge, und keiner wusste das besser als sie.
„Ich weiß, was du meinst John, ich kenne das Gefühl sehr, sehr gut. Wir wollen die Leere in uns füllen. Das Loch in unserem Herzen. Aber es klappt nur für einen kurzen Moment, im nächsten Moment bist du wieder einsam, allein und einfach nur leer.“
Es flackerte in John´s Augen.
„Ich ahnte das bei dir. Ich wollte dich schon darauf ansprechen, aber ich wollte dich nicht verletzen Selda. Du hast nie nein gesagt, du wolltest immer und konntest immer, du hast es so genossen, du hast nie mit der Wimper gezuckt. Ich ahnte schon am ersten Tag, dass du eine Nymphomanin bist und es
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