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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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nicht belasten. Sie sind im
Urlaub«, ereiferte sich die Büroleiterin. »Die junge Frau Heinemann hat mir
verboten, Sie zu belästigen.«
    Estelle verstand auch
so. »Es geht um meine Projekte«, schloss sie haarscharf. Während sie in
Mecklenburg-Vorpommern festsaß, war in Köln die Palastrevolution ausgebrochen.
    Gisela Pelzners Stöhnen
am anderen Ende der Leitung war Antwort genug. Jahrzehntelang hatte Gisela
Pelzner ihr zugearbeitet. Jetzt stand sie unter der Fuchtel der Juniorchefin.
    »Ich will zu Frau
Heinemann durchgestellt werden. Sofort«, forderte Estelle. Der Akku würde nicht
lange durchhalten. Da musste man eindeutige Ansagen treffen.
    »Die Herrschaften sind
gerade zu Tisch«, sagte die Büroleiterin.
    »Was steht auf der
Tagesordnung?«, fragte Estelle nach.
    »Ich weiß das nicht so
genau«, wich Frau Pelzner aus. »Ich bin nur noch für den Kaffee zuständig. Und
fürs Telefon.«
    Schon bei der ersten gemeinsamen
Sitzung hatte Sabine Estelle auflaufen lassen. Ohne Umschweife hatte die junge
Frau den Platz am Kopf des Konferenztisches eingenommen und den Vorsitz für
sich reklamiert. Im schwarzen Anzug, rosa Bluse, Perlenkette und mit exakt
geschnittenem Bob sah sie wie der Inbegriff der höheren Tochter aus. Tüchtig
war sie, patent und extrem gut vorbereitet. Sie versuchte, mit Fleiß zu
punkten, und hatte ihre Unterlagen mit bunten Markierungen, Notizen und
Vermerken so aufbereitet, dass sie sich schnell zu jedem Thema äußern konnte.
Dazu ließ sie wie ein Haifisch die Zähne sehen und lächelte alle und alles bis
zur Kieferverkrampfung nieder.
    »In Krisenzeiten muss
man strenger mit dem Stammkapital umgehen«, verkündete sie und wies darauf hin,
dass man die Stiftung in Zukunft strenger kontrollieren wolle. Sabine sagte
immer »man«, wenn sie »ich« meinte.
    Sabine forderte
Ordnung. Ordnung, das hieß Verträge, wo früher ein Handschlag genügte,
Nachweispapiere, wo bislang unbürokratisch geholfen wurde. Offensichtlich hatte
sie Wort gehalten und mit ihrer Bürokratie alle Hilfsmaßnahmen blockiert, die
Estelle angeleiert hatte.
    »Gehen Sie an den
Aktenschrank und suchen Sie den Ordner von ›Sommertag für alle‹«, wies Estelle
die Büroleiterin an.
    »Die Akten sind nicht
mehr hier«, meinte Frau Pelzner. »Die junge Frau Heinemann hat alle Unterlagen
in ihr Büro geholt. Sie hat vor…«
    Mitten im Satz brach
das Gespräch ab. Aus, vorbei, Ende. Fünf Prozent waren nichts. Nicht genug
jedenfalls.
    Estelle hatte keine
offizielle Funktion in der Firma. Sie war die Frau vom Chef. Das hatte genügt,
ihre Anwesenheit und Aktivität zu legitimieren. Aber was war sie, wenn der Chef
nicht mehr der Chef war? Sie wusste nur eins: Sie würde das Feld nicht kampflos
räumen.

25
    »Sie haben sich an einem Samstag
zusammengesetzt. Ohne mich«, tobte Estelle.
    Sie saß auf dem Fahrrad
und trat in die Pedale. Schneller und schneller. Voran kam sie dennoch nicht.
Keinen Zentimeter. Wie auch? Schließlich war das Fahrrad zwischen zwei
Holzscheiten auf dem Kiesplatz vor der Schule aufgebockt und ohne Räder.
    »Und? Wie viel hab
ich?«, rief sie schwitzend.
    »Ein Prozent«, las
Caroline von Estelles iPhone ab.
    »Das reicht nicht mal
aus, um an Frau Pelzner vorbeizukommen«, stöhnte Estelle. Aufgeben wollte sie
trotzdem nicht.
    Mit Thomas Steiners
Hilfe hatten sie eine mobile Handy-Aufladestation installiert. Da die Straße in
den nächsten Ort durch die Arbeiten am Stromnetz blockiert war, konnte man nur
über reine Muskelkraft mit der Außenwelt in Verbindung treten. Estelle versuchte
krampfhaft, so viel Saft in ihr Handy zu bekommen, dass es dafür reichte,
Sabine ordentlich die Meinung zu geigen.
    Judith verstand die
ganze Hektik nicht. Die Zeit arbeitete ohnehin für Estelles junge Konkurrentin.
»Was regst du dich auf?«, ermahnte sie die Freundin. »Früher oder später löst
uns die nächste Generation ab.«
    »Später. Ja«, wehrte
sich Estelle.
    Judith schüttelte den
Kopf. Anstatt ruhig abzuwarten, verfielen die Freundinnen in nackte Panik, und
das nur, weil sie nicht mehr auf Dauerempfang waren. Ständig versuchten sie,
verschiedene Dinge gleichzeitig zu erledigen, waren mit dem Kopf überall und am
Ende nirgendwo und ganz sicher nicht im Hier und Jetzt. Selbst Caroline litt
unter ihrem Offline-Status. Judith brauchte keine Google-Recherche, um zu
begreifen, dass man Steiner nicht trauen konnte. Sie musste nur auf ihren Bauch
hören. Und auf die Karten.
    Nur Eva wirkte
gelassen.

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