Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Hoffnung auf frischere Luft hinaufgeklettert waren.
    Vier aufgedunsene Pferdekadaver, massige Kaltblüter, lagen in Stepney auf der Straße. Die erschossenen Tiere waren noch in ihren Zuggeschirren. Ein paar Schritte weiter lag der Rollwagen, ausgeplündert, ohne Räder. Die großen Bierfässer, die er transportiert hatte, waren die Straße hinuntergerollt und dann aufgeschlagen worden; jeder Schauplatz verschwenderisch-gieriger Plünderung war gekennzeichnet durch herumliegende Fassdauben, Reifen und große, süßlich riechende, eingetrocknete Bierpfützen, von denen sich Wolken schwarzer Fliegen erhoben, wenn der Dampfwagen vorbeirollte. Es waren keine Zecher mehr da; nur ihre Spuren. Zerschlagene Bierkrüge, schmutzige Fetzen von Frauenkleidung, einzelne Schuhe.
    Mallory erspähte eine gewaltige Menge von frischen Plakaten, die an der Stätte dieser betrunkenen Orgie angeschlagen waren. Er warf ein Stück Kohle auf das Dach des Zephyr , und der Wagen hielt an.
    Tom stieg aus, gefolgt von Fraser, der vorsichtig, um seine Rückenverletzung zu schonen, die verkrampften Schultern reckte. »Was gibt es?«
    »Aufruhr und Zersetzung«, erwiderte Mallory.
    Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, gingen die vier zu der Wand, einer alten Plakatanschlagfläche aus Holz, so dick beklebt mit alten Anschlägen, dass sie aus Käserinde gemacht schien. Mindestens zwei Dutzend von Kapitän Swings neuesten Verlautbarungen waren frisch angeschlagen, darunter ein weiteres Exemplar mit der scharlachroten Göttin der Gerechtigkeit. Ein anderes auffallendes Plakat zeigte eine große geflügelte Frau mit brennendem Haar über zwei enggedruckten Textspalten. Einzelne Wörter waren, anscheinend willkürlich, durch Rotdruck hervorgehoben. Sie standen schweigend und versuchten, die schlecht und verschmiert gedruckte Schrift zu entziffern. Thomas gab bald auf und entschuldigte sich mit einem Achselzucken. »Ich muss die Feuerung in Gang halten«, sagte er.
    Brian begann laut, mit stockender Stimme zu lesen:
    »› EIN APPELL AN DAS VOLK ! Ihr alle seid freie Herren der Erde und braucht nur MUT , um siegreich KRIEG gegen die Hure von Babylondon und alle ihre gelehrten Diebe zu führen. Blut! Blut! Vergeltung! Vergeltung! Seuchen und Pestilenz über all jene, die nicht auf die universale Gerechtigkeit hören! BRÜDER, SCHWESTERN ! Kniet nicht mehr vor dem Vampir Kapital und den idiotischen Gelehrten! Lasst die Sklaven gekrönter Briganten zu Füßen Newtons am Boden kriechen. WIR werden den Moloch Dampf und sein fauchendes Eisen zerschmettern! Hängt zweihundert Tyrannen an die Laternenpfähle dieser Stadt und euer Glück und eure Freiheit sind für immer gesichert! Vorwärts! Vorwärts!! Wir hoffen auf die menschliche Sintflut, wir haben keine Zuflucht als einen allgemeinen Krieg! Wir führen einen Kreuzzug für die BEFREIUNG der Unterdrückten, der Rebellen, der Armen, der Ausgestoßenen, all jener, die GEQUÄLT sind von der siebenmal verfluchten Hure, deren Körper Schwefel ist, und die den eisernen Nachtmahr reitet …‹« In diesem Stil ging es noch lange weiter. »Was, im Namen des Himmels, will der Lump damit sagen ?«, fragte Mallory.
    »Ich habe dergleichen noch nie gesehen«, murmelte Fraser. »Es ist das Eifern eines kriminellen Wahnsinnigen!«
    Brian zeigte zur Fußzeile des Plakats. »Ich verstehe nicht, was mit diesen sogenannten ›sieben Flüchen‹ gemeint ist. Er stellt sie so dar, als wären es furchtbare Leiden, aber er nennt sie nicht. Er macht sie nirgendwo deutlich …«
    »Was will er nur?«, überlegte Mallory laut. »Er kann doch nicht glauben, dass ein allgemeines Massaker eine Antwort auf seine Beanstandungen ist, von welcher Art sie auch sein mögen.«
    »Mit diesem Ungeheuer ist nicht vernünftig zu reden«, sagte Fraser. »Sie hatten ganz recht, Dr. Mallory. Komme, was da wolle – mag das Risiko noch so hoch sein –, wir müssen ihn unschädlich machen! Es gibt keinen anderen Weg.«
    Sie kehrten zurück zum Zephyr , wo Tom frische Kohlen aufgeschüttet hatte. Mallory blickte zu seinen Brüdern. In den geröteten Augen über ihren Atemschutzmasken war der ernste Ausdruck männlicher Entschlossenheit. Fraser hatte für sie alle gesprochen: Sie waren geeint, Worte waren nicht mehr nötig. Für Mallory war es ein wahrhaft erhebender Augenblick inmitten dieses niederen Schmutzes. Zum ersten Mal seit Langem fühlte er sich erlöst, gereinigt, frei von Zweifeln.
    Als der Zephyr

Weitere Kostenlose Bücher