Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
Tisch. »Und wie steht es mit einem anderen gewissen Herren, Mr. Radley, sehr lang und mit kaltem Blick, der mir in letzter Zeit auf Schritt und Tritt zu folgen scheint? Könnte er vielleicht ein Agent Ihres Präsidenten Houston sein? Er scheint etwas von einem Texaner an sich zu haben.«
»Mein Präsident kann sich auf die Qualität seiner Agenten verlassen.«
Rudwick stand auf, dunkel im Gesicht. »Sie werden so freundlich sein, denke ich, dem Bastard meine Forderung auszurichten, dass er von mir ablassen soll.«
Mick stand gleichfalls auf; er lächelte freundlich. »Ich werde nicht versäumen, dem General Ihren Gedanken vorzutragen, Professor. Aber ich fürchte, ich halte Sie von Ihrer abendlichen Unterhaltung ab …« Er ging zur Tür, öffnete sie – und schloss sie hinter Rudwicks breitem, maßgeschneidertem Rücken.
Mick wandte den Kopf und zwinkerte Sybil zu. »Er ist unterwegs zu den Rattenkämpfen!«, sagte er. »Ein Freund sehr vulgärer Sportveranstaltungen, unser gelehrter Professor Rudwick. Nimmt aber kein Blatt vor den Mund, nicht?« Er machte eine Pause. »Der General wird ihn mögen.«
Stunden später erwachte sie im Grand’s Hotel, neben ihm im Bett, vom Klicken seines Feuerzeugs und dem süßlichen Gestank seiner Zigarre. Er hatte sie zweimal auf der Chaiselongue hinter ihrem Tisch in den Argyll Rooms gefickt, und noch einmal im Grand’s Hotel. Sie hatte bis dahin nicht mal geahnt, dass er ein so feuriger Liebhaber war. Zunächst hatte sie es ermutigend gefunden, doch bereits beim dritten Mal war es ihr eher lästig gewesen.
Im Raum war es dunkel, nur durch den Spalt zwischen den Vorhängen drang Gaslicht von der Straße herein.
»Wohin würdest du gern gehen, Sybil, nach Frankreich?«
Sie hatte nie darüber nachgedacht. »Mit dir, Mick …«
Er schmunzelte und schob seine Hand unter die Decke. Seine Finger umschlossen ihren Venushügel.
»Wohin werden wir denn gehen, Mick?«
»Zuerst nach Mexiko. Dann mit einer französisch-mexikanischen Armee unter dem Befehl General Houstons nach Norden, zur Befreiung von Texas.«
»Aber … ist Texas nicht eine schrecklich unzivilisierte Gegend?«
»Du musst aufhören, wie ein Straßenmädchen aus Whitechapel zu denken. Die ganze Welt ist unzivilisiert, von Piccadilly aus gesehen. Sam Houston hatte in Texas einen regelrechten Palast. Bevor die Texaner ihn ins Exil trieben, war er Englands größter Verbündeter im amerikanischen Westen. Du und ich, wir könnten in Texas wie große Herren leben, einen Landsitz an einem Fluss bauen …«
»Würden sie uns das wirklich tun lassen, Mick?«
»Du meinst, die Regierung Ihrer Majestät? Das perfide Albion?« Mick gluckste. »Nun, das hängt weitgehend von der britischen öffentlichen Meinung gegenüber General Houston ab! Wir tun, was wir können, um seinen Ruf hier in England aufzupolieren. Deshalb hat er diese Vortragsreihe organisiert, verstehst du?«
»Ja, verstehe«, sagte Sybil. »Du bist sehr schlau, Mick.«
»Wichtige Angelegenheiten, Sybil! Das internationale Gleichgewicht der Macht. In Europa hat dieses britische Rezept fünfhundert Jahre lang gewirkt, und in Amerika wirkt es noch besser. Die Union, die Konföderation, die Republiken Texas und Kalifornien – sie alle erfreuen sich nacheinander der britischen Bevorzugung, bis sie zu kühn werden, zu unabhängig, und dann bekommen sie einen Dämpfer. Teilen und herrschen, mein Liebes.« Das Ende von Micks Zigarre glomm in der Dunkelheit. »Wenn die britische Diplomatie, die britische Macht nicht wäre, könnte ganz Nordamerika ein einziges riesiges Staatsgebilde sein.«
»Was ist mit deinem Freund, dem General? Wird er uns wirklich helfen?«
»Das ist das Schöne daran!«, schwärmte Mick. »Die Diplomaten dachten, Sam Houston sei ein bisschen halsstarrig, und einige seiner Taten und politischen Erklärungen passten ihnen nicht, deshalb unterstützten sie ihn nicht so kräftig, wie sie es hätten tun sollen. Aber die texanische Junta, die ihn ersetzte, ist viel schlimmer. Sie steht den britischen Interessen mit offener Feindseligkeit gegenüber! Ihre Tage sind gezählt. Der General hat sich hier im Exil etwas mäßigen müssen, aber nun ist er auf dem Weg zurück nach Texas, um wiederzugewinnen, was ihm von Rechts wegen zusteht.« Er zuckte mit den Achseln. »Das hätte schon vor Jahren geschehen sollen. Unser Problem ist, dass die Regierung Ihrer Majestät selbst nicht weiß, was sie will! Es gibt verschiedene Fraktionen. Manche trauen
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