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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Männer von der Kriminalanthropometrie, die über ihre Zwecke nicht geheimnisvoller als sonst taten, legten Vierecke aus dünnem Klebepapier auf dem Teppich aus, um verschiedene Haare und Stofffasern verschiedener Herkunft einzufangen; diese Muster bewachten sie eifersüchtig, um sie bald darauf fortzuschaffen. Niemand hörte je wieder von ihnen.
    »Sind Sie damit fertig, Sir?«
    Er blickte auf zu Betteredge, dann wieder in die beschriebenen Seiten der Akte, wo er Radleys Blut in einer klebrigen Lache ausgebreitet sah.
    »Wir sind in der Horseferry Road, Sir.«
    Die Droschke kam zum Stillstand.
    »Ja, danke.« Er schloss die Akte und reichte sie Betteredge. Dann verließ er die Droschke und erstieg die breiten Treppenstufen.
    Ungeachtet der Umstände, die einen gegebenen Besuch erforderlich machten, verspürte er unweigerlich ein gewisses Herzklopfen, wenn er das Zentralamt für Statistik betrat. Auch jetzt fühlte er es wieder; und eine Empfindung, be obachtet zu werden – erkannt und nummeriert zu werden. Das Auge, ja …
    Als er mit dem uniformierten Beamten am Besucherschalter sprach, kam ein Trupp Mechaniker aus einem Korridor zu seiner Linken. Sie trugen wollene Jacken und mit Kreppgummi besohlte Halbschuhe. Jeder trug eine makellose Werkzeugtasche aus dickem weißen Segeltuch, mit Ecken aus braunem Leder und Messingverschlüssen. Sie sprachen untereinander, und ein paar von ihnen zogen Pfeifen und Stumpen aus den Taschen, um den Arbeitsschluss mit entspannendem Tabakrauchen zu begehen.
    Oliphant spürte eine plötzliche Gier nach Tabak. Er hatte oft Anlass, die notwendigen Vorschriften des Amtes über das Tabakrauchen zu bedauern. Fast ein wenig missgünstig sah er den Mechanikern nach, als sie zwischen den Säulen und den Bronzesphinxen hinausgingen. Verheiratete Männer, in der sicheren Erwartung einer staatlichen Pension, wohnten sie wahrscheinlich in Camden, New Cross oder einem anderem gutbürgerlichen Vorort, wo sie ihre kleinen Wohnzimmer mit Anrichten aus Papiermaschee und verzierten holländischen Uhren möblierten. Ihre Frauen servierten den Tee auf emaillierten Tabletts mit bunten Nachahmungen japanischer Landschaftsmalerei.
    An einem Basrelief mit biblischen Darstellungen vorbei ging er zum Aufzug. Als der Wärter ihn mit einer Verbeugung einließ, trat ein griesgrämig aussehender Herr, der mit einem Taschentuch einen blassen Streifen an der Schulter seines Mantels bearbeitete, zu ihm in den Aufzug.
    Die Tür des Messingkäfigs schlug rasselnd zu, der Aufzug setzte sich in Bewegung. Der Herr mit dem befleckten Mantel stieg in der dritten Etage aus. Oliphant fuhr weiter zur fünften, wo die Abteilungen für Quantitative Kriminologie und Nichtlineare Analyse waren. Zwar fand er die Letztere viel unwiderstehlicher als die Erstere, doch brauchte er heute die Quantitative Kriminologie, vor allem in der Person Andrew Wakefields, des Untersekretärs der Abteilung.
    Die Angehörigen der Abteilung saßen in abgetrennten engen Zellen aus Stahlblech, Asbest und Furnier. Wakefield präsidierte über ihnen in einer geräumigeren Version desselben Schemas. Sein Kopf mit dem spärlichen blonden Haar war umrahmt von den messinggefassten Schubladen eines Lochkartenarchivs.
    Er blickte auf, als Oliphant hereinkam, und zeigte seine großen Vorderzähne in einem Lächeln. »Mr. Oliphant, Sir«, sagte er. »Ein Vergnügen, wie immer. Entschuldigen Sie.« Er steckte eine Anzahl Lochkarten in einen kräftigen blauen, gefütterten Umschlag und wand sorgfältig die kleine rote Schnur um die zwei Hälften der Patentklammer. Dann legte er den Umschlag in einen mit Asbest ausgekleideten Kasten, der mehrere andere Umschläge von identischem Blau enthielt. Oliphant lächelte. »Denken Sie, ich könnte Ihre Lochkarten lesen, Andrew?« Er zog einen gefederten Stenografenstuhl aus seinem platzsparenden Gehäuse und setzte sich, den eingerollten Schirm über die Knie gelegt.
    »Sie wissen, was es mit einem blauen Umschlag auf sich hat, nicht wahr?« Wakefield klappte seinen Schreibtisch zusammen und schob ihn in den schmalen Aufnahmeschlitz.
    »Nicht, soweit es sich um einen spezifischen Umschlag handelt.«
    »Es gibt übrigens Leute, die Lochkarten lesen können, Oliphant. Aber selbst ein junger Anwärter kann die verschlüsselten Direktiven so leicht lesen wie Sie die Kinotrope in der Untergrundbahn.«
    »Die lese ich nie, Andrew.«
    Wakefield schnaubte. Oliphant wusste, dass es sein Äquivalent eines Lachens war. »Und wie

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