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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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stehen die Dinge im corps diplomatique , Mr. Oliphant? Viel Arbeit mit unserer ›Ludditenverschwörung‹, wie?« Es wäre unmöglich gewesen, die Ironie zu überhören, aber Oliphant ging nicht darauf ein.
    »Es hatte bisher wirklich keine allzu große Wirkung. Nicht auf meinen eigenen Interessengebieten.«
    Wakefield nickte. Er nahm an, dass Oliphants »Interessengebiete« auf die Aktivitäten ausländischer Staatsbürger auf britischem Boden beschränkt waren. Auf Oliphants Ersuchen ließ Wakefield regelmäßig die Akten über so verschiedene Gruppierungen wie die Carbonari, die Ritter der Weißen Kamelie, die Gesellschaft der Fenier, die Texas Rangers, die griechischen Hetairai, die Pinkerton-Detektivagentur und das Konföderierte Büro für Wissenschaftliche Forschung ausdrucken, die nach vorliegenden Erkenntnissen allesamt in Großbritannien aktiv waren.
    »Ich hoffe, dass das texanische Material, das wir zur Verfügung stellten, von Nutzen gewesen ist?«, fragte Wakefield. Die entlasteten Federn seines Stuhls knarrten, als er sich vorbeugte.
    »Durchaus«, versicherte ihm Oliphant.
    »Sie wissen nicht«, fragte Wakefield und nahm einen vergoldeten Drehbleistift aus der Tasche, »ob ihre Gesandtschaft einen Wohnungswechsel beabsichtigt?« Er klopfte mit dem Bleistift gegen seine Vorderzähne und erzeugte ein lautes, klickendes Geräusch, das Oliphant abstoßend fand.
    »Von ihrem gegenwärtigen Quartier in St. James? Um die Ecke von Berry, dem Weinhändler?«
    »Genau.«
    Oliphant zögerte, schien die Frage abzuwägen. »Das halte ich nicht für wahrscheinlich. Sie haben kein Geld. Ich nehme an, es würde letzten Endes vom guten Willen des Vermieters abhängen …«
    Wakefield lächelte. Seine Vorderzähne kniffen in die Unterlippe.
    »Sagen Sie mir, Andrew«, forderte Oliphant, »wer will das wissen?«
    »Die Kriminalanthropometrie.«
    »Wirklich? Seit wann beschäftigen die sich mit Überwachungstätigkeit?«
    »Soviel ich weiß, ist es mehr technisch. Experimentell.« Wakefield steckte seinen Bleistift ein. »Ihr gelehrter Freund – Mallory, heißt er, glaube ich?«
    »Ja?«
    »Ich las eine Besprechung seines Buches. Inzwischen ist er nach China abgereist, nicht?«
    »In die Mongolei. Leitet eine Expedition für die Geographische Gesellschaft.«
    Wakefield schürzte die Lippen und nickte. »So ist er nicht im Weg, sollte ich meinen.«
    »Außer Gefahr, sollte man hoffen. Kein schlechter Kerl, wirklich. Schien die technischen Aspekte Ihrer Arbeit sehr zu schätzen. Aber ich habe selbst eine technische Angelegenheit mit Ihnen zu besprechen, Andrew.«
    »Wirklich?« Wakefields Federn knarrten.
    »Es hat mit den Verfahrensweisen der Post zu tun.« Oliphant zog einen Umschlag aus der Tasche und gab ihn dem Untersekretär. Er war unversiegelt. Wakefield zog ein paar weiße Baumwollhandschuhe aus einem Drahtkorb, streifte sie über, nahm eine weiße telegrafische Adresskarte aus dem Umschlag, betrachtete sie und blickte zu Oliphant auf.
    »Grand’s Hotel«, sagte er.
    »Genau.« Das Wappen des Hotels war auf die Karte gedruckt. Oliphant sah zu, wie Wakefield mit behandschuhter Fingerspitze über die Linien der eingestanzten Löcher fuhr und die Karte auf Abnutzung prüfte, die mechanische Schwierigkeiten verursachen konnte.
    »Sie möchten wissen, wer sie schickte?«
    »Diese Information ist in meinem Besitz, danke.«
    »Name des Empfängers?«
    »Ist mir ebenfalls bekannt.«
    Die Federn knarrten wieder – nervös, wie es Oliphant schien. Wakefield stand auf und steckte die Karte in einen Messingschlitz an der Vorderseite eines glasverkleideten Instrumentes über einer Reihe von Archiv-Schubfächern. Mit einem Blick zu Oliphant streckte er die Hand aus und zog einen Hebel mit Ebenholzgriff herunter. Das Gerät machte ein Geräusch wie die Registrierkasse eines Krämerladens. Als Wakefield den Hebel losließ, begann dieser sich langsam aufzurichten. Dabei summte er und klickte wie ein Spielautomat in einer Gastwirtschaft. Wakefield verfolgte die rotierenden Schriftzeichenräder, die tickend verlangsamten. Plötzlich verstummte das Gerät.
    »Egremont«, las Wakefield mit halblauter Stimme. »The Beeches, Belgravia.«
    »Sehr interessant.« Oliphant sah zu, wie Wakefield die Karte aus dem Messingschlitz nahm. »Ich benötige den Text dieses Telegramms, Andrew.«
    »Egremont«, sagte Wakefield, als hätte er nicht gehört. Er setzte sich wieder, steckte die Karte in ihren Umschlag und zog seine Handschuhe aus.

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