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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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»Er scheint überall zu sein, unser hochwohlgeborener Charles Egremont. Die Arbeit, die er uns hier macht, nimmt kein Ende, Oliphant.«
    »Der Text der Botschaft, Andrew, ist hier im Büro. Er existiert physisch, glaube ich, als ein Stück Lochstreifen.«
    »Wissen Sie, dass ich hier fünfundfünfzig Meilen Lochstreifen habe, denen immer noch der Gestank anhaftet? Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Ihre Anfrage noch regelwidriger als gewöhnlich ist …«
    »›Noch regelwidriger als gewöhnlich‹? Das klingt gut …«
    »Und dass Ihre Freunde von der Sonderabteilung alle Stunden hier hereinmarschieren und immer wieder unsere Maschinenzeit beanspruchen, in der Hoffnung, diese Ludditen aus dem Dachgebälk der Nation zu schütteln, wo sie sich angeblich verkrochen haben! Wer ist dieser verdammte Kerl, Oliphant?«
    »Ein noch ziemlich junger Politiker der Radikalen Partei, soviel mir bekannt ist. Oder er war es, bis zu den Unruhen im Sommer.«
    »Wohl eher bis zu Byrons Tod.«
    »Aber wir haben jetzt Lord Brunel, nicht wahr?«
    »In der Tat, und die größten Tollheiten unter ihm im Parlament!«
    Oliphant schwieg eine gute Weile. »Wenn Sie den Text des Telegramms bekommen könnten, Andrew«, sagte er schließlich betont ruhig, »wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
    »Er ist ein sehr ehrgeiziger Mann, Oliphant. Mit ehrgeizigen Freunden.«
    »Mit dieser Einschätzung stehen Sie nicht allein.«
    Wakefield seufzte. »Unter den Umständen muss ich auf äußerste Diskretion …«
    »Auf jeden Fall!«
    »Abgesehen davon sind die Lochstreifen schmutzig. Kondensierte Teilchen. Wir arbeiten in drei Schichten an den Mechaniken und haben einigen Erfolg mit Anwendungen von Lord Colgates Aerosol, aber manchmal verzweifle ich schier an der Frage, ob wir das System jemals wieder ganz in Ordnung bringen werden!« Er dämpfte seine Stimme. »Wussten Sie, dass die feineren Funktionen des Napoleon seit Monaten unzuverlässig sind?«
    »Nein.«
    »Die Lochstreifenkapazität des Napoleon beträgt annähernd das Doppelte der unsrigen«, sagte Wakefield. »und sie funktioniert einfach nicht!« Die Vorstellung schien ihn mit einem besonderen Schrecken zu erfüllen.
    »Hatten die auch so einen Gestank?«
    Wakefield schüttelte grimmig den Kopf.
    »Sehen Sie«, sagte Oliphant. »Höchstwahrscheinlich ist ein Stückchen Zwiebelhaut ins Getriebe geraten und blockiert es …« Wakefield schnaubte.
    »Bitte suchen Sie mir dieses Telegramm heraus. So bald es Ihnen möglich ist, natürlich.«
    Wakefield neigte den Kopf, aber nur sehr leicht.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Oliphant. Er stand auf und salutierte dem Untersekretär mit seinem eingerollten Schirm, bevor er seinen Schritt zurück durch die Reihen der Arbeitsplätze mit den gebeugten und geduldigen Köpfen von Wakefields Mitarbeitern lenkte.
    Oliphant war von der Taverne in Soho, wo er sich von Betteredge hatte absetzen lassen, auf seinen professionellen Umwegen zur Dean Street gelangt, wo er nun ein rußiges Haus betrat, dessen Tür unverschlossen war. Nachdem er sie sorgsam hinter sich eingeklinkt hatte, erstieg er zwei Treppen ohne Läufer. Die kühle Luft roch nach gekochtem Kohl und schalem Tabakrauch.
    Er klopfte zweimal an eine Tür, dann erneut zweimal.
    »Kommen Sie herein, kommen Sie herein, aber lassen Sie die Kälte draußen …« Der vollbärtige Hermann Kriege, zuletzt bei der New Yorker Volkstribüne , schien jedes Kleidungsstück zu tragen, das er besaß, als ob er gewettet hätte, dass er die gesamte Karrenladung eines Lumpenhändlers auf einmal anziehen könne.
    Hinter Oliphant sperrte er die Tür ab und hängte die Kette ein.
    Kriege hatte zwei Zimmer. Das mit dem Blick zur Straße war das Wohnzimmer und dahinter ein Schlafzimmer. Alles zerbrochen und in Fetzen und in der größten Unordnung. Ein großer, altmodischer Tisch, mit Wachstuch bedeckt, stand in der Mitte des Wohnzimmers. Auf ihm lagen Manuskripte, Bücher, Zeitungen, eine Puppe mit Porzellankopf, Nähzeug, gesprungene Teetassen, schmutzige Löffel, Bleistifte, Messer, Kerzen, ein Tintenfass, holländische Tonpfeifen, Tabakasche.
    »Setzen Sie sich, setzen Sie sich, bitte.« In seiner dicken Vermummung bärenartiger denn je, winkte Kriege mit unbestimmter Geste zu einem Stuhl mit nur drei Beinen. Oliphant zwinkerte im Dunst von Kohlen- und Tabakrauch und machte einen Stuhl aus, der ganz zu sein schien, doch hatte Krieges Tochter darauf Küche gespielt. Oliphant beschloss, ein Paar Hosen zu riskieren, fegte mit der

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