Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
vielen Laster. Sie übermitteln mir einen Brief durch die kaiserliche Kurierpost – keine Kleinigkeit, für einen Engländer, obwohl ich weiß, dass Sie mit unserem Freund Bayard auf vertrautem Fuß stehen. Ihr Brief erbittet meine Hilfe bei der Lokalisierung einer bestimmten englischen Abenteurerin, nichts weiter. Sie glauben, dass die Frau in Frankreich wohnhaft sein könnte. Dennoch betonen Sie die Notwendigkeit äußerster Geheimhaltung und warnen mich ausdrücklich davor, durch Telegraf oder die reguläre Post mit Ihnen Verbindung aufzunehmen. Sie instruieren mich, ich möge Ihre Ankunft abwarten. Was soll ich aus alledem entnehmen? Sind Sie schließlich doch noch den Ränken einer Frau erlegen?«
»Leider ist das nicht der Fall.«
»Wenn ich an das gegenwärtige Modell britischer Fraulichkeit denke, mein Freund, finde ich das ganz und gar begreiflich. Viel zu viele von Ihren Frauen haben den Ehrgeiz, sich auf die Ebene maskuliner Intellektualität zu stellen … Sie verschmähen Krinolinen, Puder, die Mühe, sich hübsch zu machen oder auch nur in irgendeiner Weise liebenswürdig zu sein! Was für ein trauriges, von Nützlichkeitsdenken beherrschtes, hässliches Leben steht den Engländern bevor, wenn diese Tendenz andauert! Also frage ich Sie, warum Sie den Kanal überquert haben, um eine englische Abenteurerin zu finden? Nicht, dass es uns an ihnen fehlen würde. Sie sind ziemlich dicht gesät, wenn Sie mich fragen, nicht zu reden vom Ursprung unserer eigenen Kaiserin.« Arslau lächelte.
»Sie haben auch nie geheiratet, Lucien«, bemerkte Oliphant in einem Versuch, Arslau von seinem Ziel abzulenken.
»Aber schauen Sie sich den Ehestand an! Wer kann sagen, welches die eine kluge Wahl unter den neunhundertneunundneunzig Fehlern sein wird? Welche wird der eine Aal in dem Fass voller Schlangen sein? Das Mädchen an der Bordsteinkante mag die eine Frau sein, die mich zu einem glücklichen Mann machen kann, mein Freund, ich aber fahre an ihr vorbei und bespritze sie in meiner völligen Ahnungslosigkeit mit dem Schmutz von meinen Rädern!« Arslau lachte. »Nein, ich habe nicht geheiratet, und Ihre Mission ist eine politische.«
»Natürlich.«
»Mit Großbritannien stehen die Dinge nicht zum Besten. Ich brauche meine britischen Quellen nicht, um das zu wissen, Laurence. Die Zeitungen genügen mir. Der Tod Byrons …«
»Großbritanniens politische Richtung, Lucien – ja, letztendlich seine Stabilität als Nation –, mag schon jetzt auf dem Spiel stehen. Ich brauche Sie nicht an die überragende Bedeutung der beiderseitigen Anerkennung und Unterstützung unserer Nationen zu erinnern.«
»Und die Angelegenheit dieser Miss Gerard, Laurence? Soll ich es so verstehen, dass sie irgendwie eine Schlüsselrolle in der Situation spielt?«
Oliphant zog sein Zigarrenetui und wählte eine von Beadons Havannas. Seine Finger streiften das zusammengefaltete Papier von Sybil Gerards Telegramm. Er klappte das Etui zu. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich rauche?«
»Bitte, nur zu.«
»Danke. Die Angelegenheiten, die mit Sybil Gerard zusammenhängen, sind rein innenpolitischer, britischer Natur. Sie könnten schließlich auch Frankreich beeinflussen, aber nur in einer sehr indirekten Weise.« Oliphant schnitt das Mundstück der Zigarre an.
»Sind Sie dessen ganz sicher?«
»Das bin ich.«
»Nun, ich nicht.« Arslau erhob sich, um Oliphant einen kupfernen Aschenbecher auf einem Walnussständer zu brin gen. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, blieb aber stehen. »Was wissen Sie von der Jacquardine-Gesellschaft?«
»Sie entspricht ungefähr unserer Gesellschaft für Dampfintellekt, nicht wahr?«
»Ja und nein. Innerhalb der Jacquardiner gibt es eine andere, eine Geheimgesellschaft. Sie nennt sich Les Fils de Vaucanson. Einige von ihnen sind Anarchisten, andere gehören der Universellen Bruderschaft an, andere tun sich mit jeder Art von Gesindel zusammen. Klassenkampfverschwörer, verstehen Sie? Wieder andere sind einfach Kriminelle. Aber das wissen Sie, Laurence.«
Oliphant nahm ein Schwefelholz aus einer Schachtel mit einer Abbildung der Bessemer und riss es an. Er zündete die Zigarre an.
»Sie sagen mir, dass die Frau, die Sie als Sybil Gerard kennen, für Frankreich ohne Belang sei«, sagte Arslau.
»Sind Sie anderer Meinung?«
»Vielleicht. Erzählen Sie mir, was Sie von unseren Schwierigkeiten mit dem Großen Napoleon wissen.«
»Sehr wenig. Wakefield vom Zentralamt für Statistik erwähnte mir
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