Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
wickeln, schnurrend wie eine ganze Katzenfamilie.
Hetty hatte eine Öllampe mit heruntergedrehter Flamme auf dem Dielentisch im Eingang brennen lassen; diese rauchte jetzt, und der Docht musste dringend gekürzt werden. Es war töricht, die Lampe brennen zu lassen, wo Toby sie hätte herunterwerfen können, aber Sybil war dankbar, die Wohnung nicht in Finsternis anzutreffen. Sie nahm Toby in die Arme. Er roch nach Hering. »Hat Hetty dich gefüttert, Lieber?« Er miaute leise und schlug mit den Pfoten nach den Bändern ihrer Haube.
Das Tapetenmuster tanzte, als sie die Lampe vom Tisch hob. Der Korridor hatte in all den Jahren, seit das Haus stand, noch keinen Sonnenstrahl gesehen, dennoch hatten die aufgedruckten Blumen die Farbe von Staub angenommen.
Sybils Zimmer hatte zwei Fenster, die auf eine nackte Mauer aus rußigen gelben Ziegeln hinausgingen, so nahe, dass man sie mit ausgestreckter Hand hätte berühren können, wenn nicht jemand die Fensterflügel an die Rahmen genagelt hätte. Trotzdem, an hellen Tagen, wenn die Sonne direkt über dem Haus stand, drang ein bisschen Licht herein. Und Hettys Zimmer, obschon größer, hatte nur ein Fenster. Wenn Hetty zu Hause war, musste sie allein sein und schlafen, denn der Spalt unter ihrer geschlossenen Tür war dunkel.
Es war gut, ein eigenes Zimmer zu haben, wohin sie sich zurückziehen konnte, eine Zuflucht, wenn auch bescheiden. Sybil setzte Toby auf den Boden, obwohl er protestierte, und trug die Lampe zu ihrer eigenen Tür, die angelehnt stand. Drinnen fand sie alles so vor, wie sie es verlassen hatte, aber sie sah, dass Hetty ihr die neueste Nummer der Illustrated London News aufs Kopfkissen gelegt hatte, mit einer Lithographie vom Krimkrieg auf der Titelseite, einer Stadt, die ganz in Flammen stand. Sie stellte die Lampe auf die gesprungene Marmorplatte der Kommode. Toby strich ihr um die Knöchel, als ob er mehr Hering zu entdecken erwartete.
Das Ticken des dickbäuchigen Weckers, das sie manchmal unerträglich fand, war jetzt beruhigend; wenigstens lief er, und sie hatte das Gefühl, dass die angezeigte Zeit, Viertel nach elf, richtig war. Sie drehte den Aufzug sicherheitshalber ein paarmal herum. Mick wollte um Mitternacht kommen, um sie abzuholen, und es waren noch einige Entscheidungen zu treffen, da er ihr dringend geraten hatte, mit sehr leichtem Gepäck zu reisen.
Sie nahm eine Trimmschere aus der Kommodenschublade, hob den Zylinder von der Lampe und schnitt das geschwärzte Stück vom Docht. Das Licht wurde etwas heller. Sie legte sich einen Überwurf über die Schultern, denn es war kalt im Zimmer, öffnete den Deckel einer lackierten Teekiste und begann mit einer Inventur ihrer besseren Sachen. Aber nachdem sie zwei Garnituren Unterwäsche herausgenommen hatte, kam ihr der Gedanke, dass, je weniger sie mitnahm, Mick ihr in Paris desto mehr würde kaufen müssen. Und wenn das nicht wie eine angehende Abenteurerin gedacht war, wusste sie nicht, was es war.
Immerhin hatte sie ein paar Sachen, die sie besonders schätzte, und diese wanderten zusammen mit der Unterwäsche in ihren Mantelsack aus Brokatstoff, dessen aufgeplatzte Naht sie hatte ausbessern wollen. Dazu kamen noch eine wunderschöne Flasche mit Rosenwasser, halbvoll, eine grüne Talmibrosche von Mr. Kingsley, zwei Haarbürsten mit Rücken aus Ebenholzimitat, eine kleine Blumenpresse mit einer Ansicht vom Kensington-Palast, und eine deutsche Patent-Brennschere, die sie in einem Friseurgeschäft hatte mitgehen lassen. Sie tat noch eine Zahnbürste mit Beingriff und eine Dose kampfergesättigtes Zahnpulver hinzu.
Nun nahm sie einen winzigen silbernen Drehbleistift und setzte sich auf die Bettkante, um Hetty eine Nachricht zu schreiben. Der Drehbleistift war ein Geschenk von Mr. Chadwick und trug eingraviert den Namen einer Eisenbahngesellschaft; die Versilberung begann bereits abzublättern und das Messing darunter freizulegen. Als Schreibpapier fand sie nur die Rückseite eines Handzettels mit Reklame für Trinkschokolade.
Meine liebe Harriet , begann sie, ich bin auf und davon nach Paris , aber dann hielt sie inne, nahm die Kappe vom Drehbleistift und radierte die drei letzten Worte aus, um an ihrer Stelle zu schreiben: mit einem Herrn fortgelaufen. Sei nicht besorgt. Es geht mir gut. Du kannst alle Kleider haben, die ich zurücklasse, und bitte kümmere dich um den lieben Toby und gib ihm Hering. Deine treue Freundin Sybil.
Es war ein seltsames Gefühl, dies niederzuschreiben, und
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