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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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seiner Tätigkeit zu.
    Kurz darauf erschien ein gähnender und verdrießlich blickender kleiner Page und legte ihre Nachricht auf einen mit Kork bedeckten Servierteller.
    Sybil folgte ihm besorgt, als er zum Rauchzimmer trottete. »Es ist für den persönlichen Sekretär des Generals«, sagte sie.
    »Das geht in Ordnung, Miss, ich kenne ihn.« Er zog die Tür auf, und als er durchging, spähte Sybil hinein. Bis die Tür langsam zufiel, erhaschte sie einen langen Blick auf Houston, der barhäuptig, mit schweißglänzendem Gesicht und betrun ken in einem Sessel lag, einen gestiefelten Fuß auf dem Rauch tisch neben einer Kristallkaraffe. Er hatte ein gefährlich aussehendes Klappmesser in der Hand, paffte eine Zigarre und stieß nach etwas – nein, er schnitzte, denn der Boden um seinen Ledersessel war übersät mit Holzschnitzeln.
    Ein großer, bärtiger Engländer schien auf Houston einzureden. Der Fremde hatte den linken Arm in einer weißen Seidenschlinge und sah traurig und würdevoll und bedeutend aus. Neben ihm stand Mick, beugte sich näher und war im Begriff, den Stumpen des Mannes mit seinem Feuerzeug anzuzünden. Dann fiel die Tür zu.
    Sybil setzte sich auf eine Chaiselongue im hallenden Marmorfoyer, und die angenehme Wärme des Raumes stahl sich durch ihre feuchten, schmutzigen Schuhe; ihre Zehen begannen schmerzhaft zu prickeln. Dann kam der Page wieder heraus, gefolgt von Mick: In der Türöffnung wandte Mick den Kopf zurück und deutete mit erhobener Hand ein Salutieren an. Sybil stand von ihrem Platz auf. Als er sie sah, verfinsterte sich sein schmales Gesicht.
    Er kam schnell herüber, nahm sie beim Ellbogen. »Himmelherrgott«, stieß er halblaut hervor. »Was für eine alberne Nachricht war das? Kannst du nicht vernünftig sein, Mädchen?«
    »Was ist los?«, fragte sie zurück. »Warum bist du nicht gekommen?«
    »Widrige Umstände, fürchte ich. Wie die Sache mit dem Fuchs, der sich selbst in den Schwanz beißt. Könnte komisch sein, wenn es nicht so verdammt schwierig wäre. Aber dass du jetzt hier bist, könnte die Lage verändern …«
    »Was ist schiefgegangen? Wer ist dieser Herr mit dem Arm in der Schlinge?«
    »Ein verdammter britischer Diplomat, der nichts von dem Plan des Generals hält, in Mexiko eine Armee aufzustellen. Kümmere dich nicht um ihn. Morgen werden wir in Frankreich sein, und er wird hier in London zurückbleiben und jemand anderen belästigen. Zumindest hoffe ich das … Der General hat unsere Sache jedoch erschwert. Blau wie ein Veilchen … Um die Wahrheit zu sagen, er ist ein übler Patron, wenn er trinkt. Fängt an, seine Freunde zu vergessen … Hat einen seiner kleinen Tricks abgezogen.«
    Sybil begriff. »Er hat dich irgendwie hereingelegt. Er will dich loswerden, ist es das?«
    »Er hat meine Kinotrop-Karten geklaut«, sagte Mick.
    »Aber die habe ich nach Paris geschickt, Poste restante «, sagte Sybil. »Genau wie du mir sagtest.«
    »Nicht die, du dumme Gans – die Kinotrop-Karten von der Rede!«
    »Aus dem Theater? Er hat sie gestohlen?«
    »Er wusste, dass ich meine Karten einpacken und mitnehmen würde, verstehst du? Also überwachte er mich irgendwie, und nun hat er sie aus meinem Gepäck entwendet. Sagt, er werde mich in Frankreich nun doch nicht benötigen, solange er meine Information habe. Er wird irgendeinen Froschesser einstellen, der für billiges Geld ein Kinotrop bedienen kann. Sagt er jedenfalls.«
    »Aber das ist Diebstahl!«
    »›Ausleihen‹, laut Houston. Sagt, er werde mir meine Karten zurückgeben, sobald er sie ›kopiert‹ habe. Auf diese Weise würde ich nichts verlieren.«
    Sybil war wie vor den Kopf geschlagen. Wollte er sie zum Besten halten? »Aber ist das nicht Diebstahl?«
    »Versuch mal, mit diesem Hundesohn von Samuel Houston zu diskutieren! Er hat einmal ein ganzes verdammtes Land gestohlen! Leergestohlen und abgenagt bis auf die Knochen!«
    »Aber du bist sein Mann! Du kannst nicht zulassen, dass er dich bestiehlt.«
    Mick winkte ab. »Was das betrifft, so könntest du auch fragen, wie ich dieses feine französische Programm machen ließ. Du könntest sagen, ich hätte dafür Geld vom General geborgt, sozusagen.« Er zeigte die Zähne in einem matten Grinsen. »Nicht das erste Mal, dass wir versucht haben, einander hereinzulegen. Es ist eine Art Probe, verstehst du? Wer mit General Houston reist, muss ein durchtriebener Bursche sein …«
    »Ach du lieber Gott«, sagte Sybil und ließ sich samt ihrer Krinoline auf die

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