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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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seine Bürger-Nummer nicht. Dann werde ich die Zusatzgebühr bezahlen müssen, nicht wahr? Es ist sehr wichtig.«
    »Jawohl, Madame. Das glaube ich Ihnen gern. Bitte fahren Sie fort, und ich werde das Diktat aufnehmen.«
    »Ich glaube nicht, dass ich meine Anschrift und das Datum voranstellen sollte, oder? Ich meine, ein Telegramm ist kein Brief, nicht wahr?«
    »Nein, Madame.«
    »Oder seine Anschrift?«
    »Kürze ist das Wesen der Telegrafie, Madame.«
    Mick musste jetzt zum Schlüsselbrett des Hotels schleichen, wo die Zimmerschlüssel unter ihren Nummern hingen. Sie konnte ihn nicht sehen, bildete sich jetzt aber ein, dass sie seine Bewegungen hören, ihn beinahe riechen könne, und der Angestellte brauchte bloß nach rechts zu blicken, um einen Einschleichdieb auf sich zukommen zu sehen, wild blickend und niedergekauert wie ein Affe.
    »Bitte schreiben Sie«, sagte Sybil mit bebender Stimme. »Lieber Charles.« Der Mann begann zu schreiben. »Vor neun Jahren tatest du mir die schlimmste Schmach an, die eine Frau erleben kann.«
    Der Mann starrte entsetzt auf seinen Füllfederhalter, dunkle Röte kroch aus seinem Kragen aufwärts.
    »Du versprachst mir, dass du meinen armen Vater retten würdest. Stattdessen verführtest du mich und stießest mich ins Verderben. Heute verlasse ich London in der Gesellschaft mächtiger Freunde. Sie wissen sehr gut, was für ein Verräter du an Walter Gerard und an mir warst. Versuche nicht, mich zu finden, Charles. Es wäre nutzlos. Ich hoffe, du und Mrs. Egremont werdet heute Nacht ruhig schlafen.« Sybil erschauerte. »Unterschreiben Sie das bitte mit ›Sybil Gerard‹, wenn Sie so gut sein wollen.«
    »Ja, Madame«, murmelte der Angestellte mit niedergeschlagenem Blick, als Mick in seinen Strumpfsocken lautlos wieder über den Tresen sprang. Er kauerte sich nieder, gedeckt von der Barriere, dann bewegte er sich in der tiefen Hocke watschelnd über den Marmorboden davon wie eine monströse Ente. Augenblicke später war er hinter ein paar Sesseln in Sicherheit.
    »Was bin ich schuldig?«, fragte Sybil höflich.
    »Zwei Shilling und sechs Pence«, stammelte der Mann, außerstande, ihrem Blick zu begegnen.
    Sie zählte das Geld aus der kleinen Börse, die sie aus ihrem Muff nahm, und ließ den Mann an seinem Platz zurück, wo er sogleich wieder Telegrammkarten aus seinem Kasten lochte.
    Mick kam wie ein Herr durch das Foyer geschlendert. Er verhielt neben einem Zeitungsständer, bückte sich, um seine Schnürsenkel zu binden, richtete sich wieder auf und ließ sie den Schimmer von Metall in seiner Hand sehen. Dann trat er zur Chaiselongue und steckte den Schlüssel, ohne auch nur in ihre Richtung zu blicken, hinter ein Samtkissen. Darauf rückte er an seiner Krawatte, zupfte an den Ärmeln und schritt ins Rauchzimmer davon.
    Sybil setzte sich eine kleine Weile auf die Chaiselongue und gab vor, eine Monatszeitschrift zu lesen, die über die Tätigkeit der Royal Society berichtete. Mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand fischte sie vorsichtig hinter sich nach dem Schlüssel. Da war er schon, mit der Nummer 24 eingraviert auf dem ovalen Messingschild. Sie gähnte in einer Weise, von der sie hoffte, dass sie damenhaft sei, und stand auf, um sich nach oben zurückzuziehen, ganz so, als ob sie dort ein Zimmer bewohnte.
    Ihre Füße schmerzten.
    Als sie den stillen, von Gaslampen erhellten Korridor zu Houstons Zimmer ging, wunderte sie sich, dass sie Charles Egremont angegriffen hatte. Aus der Notwendigkeit, eine dramatische Botschaft zu erfinden und den Angestellten abzulenken, hatte sie Vorwürfe und Drohungen ausgestoßen. Es war plötzlich aus ihr herausgebrodelt, beinahe ohne ihren Willen. Es erstaunte und beängstigte sie sogar, nachdem sie gedacht hatte, sie habe den Mann fast vergessen.
    Nur allzu bildhaft konnte sie sich Egremonts Erschrecken vorstellen, wenn er das Telegramm bekäme. Sie erinnerte sich seiner gut genug: erfolgreich und verwöhnt, dabei einfältig, was ihm den Anschein verlieh, wohlmeinend zu sein. Ständig hatte er ihr gepredigt und gebettelt und geweint und gesündigt. Er war ein Trottel.
    Aber nun hatte sie sich von Mick Radley zum Diebstahl verleiten lassen. Wenn sie klug gewesen wäre, hätte sie Grand’s Hotel umgehend verlassen, wäre in die Tiefen Londons untergetaucht und hätte Radley niemals wiedergesehen. Auf keinen Fall sollte sie sich durch den »Lehrlingseid« daran hindern lassen, zu tun, was sie tun musste. Einen Eid zu brechen war zwar etwas

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