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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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General. Hättest nicht nehmen sollen, was du an dich brachtest. Du hast uns beraubt, Sam. Wo ist es? Wo ist das Geld vom Schatzamt?«
    »Ranger«, sagte Houston, und seine Stimme war ein süßer Sirup aus Geduld und Aufrichtigkeit, »du bist irregeführt worden. Ich weiß, wer dich geschickt hat, und ich kenne ihre Lügen und Verleumdungen gegen mich. Aber ich schwöre dir, dass ich nichts gestohlen habe – diese Geldmittel sind von Rechts wegen mein, der heilige Treubesitz der Regierung von Texas im Exil.«
    »Du hast Texas für britisches Gold verkauft«, sagte der Ranger. »Wir brauchen dieses Geld für Waffen und Lebensmittel. Wir verhungern, und sie bringen uns um.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Und du willst ihnen dabei helfen.«
    »Die Republik Texas kann sich nicht den Großmächten der Welt widersetzen, Ranger. Ich weiß, dass die Dinge in Texas schlecht stehen, und das Herz schmerzt mir bei dem Gedanken an mein Land, aber es kann erst Friede sein, wenn ich wieder den Oberbefehl habe.«
    »Du hast kein Geld übrig, wie?«, wollte der Ranger wissen. »Ich habe gesucht, und es ist nicht hier. Du hast deinen Herrensitz auf dem Land verkauft … du hast alles verschleudert, Sam, mit Huren und Saufgelagen und teuren Theatervorstellungen für Ausländer. Und nun möchtest du mit einer mexikanischen Armee zurückkommen. Du bist ein Dieb, und ein Trunkenbold, und ein Verräter.«
    »Gott soll dich verdammen!«, brüllte Houston und riss mit beiden Händen seine Jacke auf. »Du bist ein feiger Meuchelmörder, du unflätiger Hurensohn. Wenn du glaubst, du hast den Mut, den Vater deines Landes zu töten, dann schieß auf das Herz!« Er schlug sich an die Brust.
    »Für Texas.« Der Pfefferstreuer spie eine orangefarbene, mit blau gesäumte Flamme, und Houston flog rückwärts gegen die Wand. Der Koloss schlug schwer auf den Boden, und der Rächer sprang hinzu und kauerte über ihm, stieß die Mündungen der kleinen Pistole gegen die prunkhafte Weste aus Leopardenfell. Es folgte ein Schuss in Houstons Brust, dann ein weiterer, und darauf ein lautes Knacken, als der feine Abzug in der Faust des Rangers brach.
    Der Ranger warf Micks Pistole beiseite. Houston lag ausgestreckt und bewegungslos da; rote Flecken krochen durch das Leopardenfell der Weste.
    Aus einem anderen Zimmer kamen verschlafene Alarmrufe. Der Texaner ergriff Houstons Stock und schlug die Fensterscheiben ein; Glas zersplitterte mit hellem Klang auf dem Pflaster unten; Fenstersprossen gaben nach, und dann kletterte er auf den Fenstersims hinaus. Einen Augenblick kauerte er draußen, während der eisige Wind an seinem langen Mantel zerrte, und Sybil fühlte sich in ihrer Starre an seinen ersten Anblick erinnert: eine riesenhafte dunkle Krähe, jetzt zum Abflug bereit.
    Houstons Nemesis, der Racheengel von Goliad, sprang hinunter und war fort, ließ sie in Stille und wachsendem Schrecken zurück, als hätte sein Verschwinden einen Bann gebrochen. Sie begann auf allen vieren ziellos herumzukriechen, behindert durch ihre Krinoline, doch war es, als bewegten ihre Gliedmaßen sich aus eigenem Antrieb. Der schwere Stock lag auf dem Boden, aber sein Handgriff, ein vergoldeter Messingrabe, war abgebrochen.
    Houston stöhnte.
    »Bitte seien Sie still«, sagte sie. »Sie sind tot.«
    »Wer sind Sie?«, keuchte er und hustete.
    Der Boden war übersät mit Glasscherben, scharfkantig unter ihren Handflächen. Nein. Glänzend. Wie Steine. Der dicke Stock war hohl, sah sie jetzt, und ein Teil seiner Wattefüllung, in der mehr von den Steinen steckten, war herausgerutscht. Blitzende, helle Diamanten. Sie scharrte die Steine mit beiden Händen auf dem Teppich zusammen, zog die restliche Watte aus dem Stock und stopfte alles in ihr Mieder zwischen die Brüste.
    Dann wandte sie sich zu Houston herum. Er lag bewegungslos auf dem Rücken, und sie beobachtete fasziniert, wie ein Blutfleck sich über seinen Brustkorb ausbreitete. »Helfen Sie mir«, stieß Houston hervor. »Ich kann nicht atmen.« Er zog matt an den Knöpfen seiner Weste, und sie ging auf und zeigte sauber eingenähte Innentaschen aus schwarzer Seide, vollgestopft mit dicken Päckchen von Lochkarten in braunem Papier. Ihre komplizierten Perforationen waren jetzt sicherlich durch die heißen Einschläge von Kugeln ruiniert … und vom Blut, denn mindestens ein Geschoss musste seine Brust durchschlagen haben.
    Sybil stand auf und ging taumelnd zur Tür. Der vollgesogene Teppich beim Kleiderschrank schmatzte

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