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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Schnur und geckenhafte gelbe Handschuhe. Aber sie waren alle noch jung und kräftig und ihre schwarzen Seidenhüte saßen wie Wikingerhelme auf ihren Köpfen.
    Plötzlich knickten Oliphants lange Beine unter ihm ein und er setzte sich lächelnd an das Kopfende des Tisches. Mallory tat es ihm nach; seine Kniescheiben knackten laut. Die Japaner folgten ebenfalls Oliphants Beispiel und nahmen rasch wieder ihre Haltung ergebener Würde ein. Die Frau hatte sich unterdessen nicht einen Zoll vom Fleck bewegt.
    »Unter den Umständen«, meinte Oliphant, »schrecklich heißer Tag, ermüdendes Scharmützel mit Feinden des Reiches – ist ein kleiner Umtrunk angebracht.« Er nahm eine Messingglocke vom Tisch und läutete. »Also wollen wir es uns gemütlich machen, wie? Nani o onomi ni narimasu ka? «
    Die Japaner beratschlagten, zogen die Brauen hoch, nickten glücklich und grunzten zustimmend. » Uisuki …«
    »Whisky, eine ausgezeichnete Wahl«, sagte Oliphant.
    Kurz darauf erschien Bligh mit einem Rolltisch mit Flaschen und Gläsern. »Wir haben nicht mehr viel Eis, Sir.«
    »Was ist das, Bligh?«
    »Der Eismann wollte dem Koch nur ein bisschen verkaufen. Der Preis hat sich seit letzter Woche verdreifacht!«
    »Nun, Eis würde den Whisky sowieso nur verdünnen«, sagte Oliphant leichthin. »Dr. Mallory, passen Sie gut auf. Mr. Matsuki Koan, der aus der sehr weit fortgeschrittenen Provinz Satsuma kommt, demonstrierte uns gerade eines der Wunder japanischer Handwerkskunst – wer war noch gleich der Künstler, Mr. Matsuki?«
    »Sie wird von Söhnen der Familie Hosokawa gemacht«, erklärte Mr. Matsuki und verbeugte sich im Sitzen. »Unser Herr – Satsuma Paimyo – ist Gönner.«
    »Ich glaube, Mr. Matsuki wird die Honneurs machen, Bligh«, sagte Oliphant. Bligh reichte Mr. Matsuki eine Whiskyflasche; Mr. Matsuki goss sie in einen eleganten Keramikkrug zur Rechten der japanischen Frau. Sie reagierte nicht. Mallory begann sich zu fragen, ob sie krank sei, oder gelähmt. Dann steckte Mr. Matsuki den Krug mit einem scharfen hölzernen Klicken in ihre rechte Hand. Er erhob sich und holte eine vergoldete Andrehkurbel. Diese steckte er der Frau in den unteren Rücken und begann mit ausdrucksloser Miene zu kurbeln. Ein hohes, metallisches Geräusch kam aus den Innereien der Frau.
    »Sie ist eine Puppe!«, platzte Mallory heraus.
    »Mehr eine Marionette«, erwiderte Oliphant. »Die richtige Bezeichnung lautet ›Automaton‹, glaube ich.«
    Mallory holte tief Luft. »Ich verstehe! Wie eines dieser von Jacquot-Droz gebauten Spielzeuge, oder Vaucansons berühmte Ente, wie?« Er lachte. Es war jetzt offensichtlich, dass das maskenartige Gesicht, halb verhüllt von dem eleganten schwarzen Haar, tatsächlich geschnitztes und bemaltes Holz war. »Dieser Schlag muss mein Gehirn durcheinandergebracht haben. Himmel, was für ein Prachtstück.«
    »Jedes Haar der Perücke wurde von Hand eingesetzt«, sagte Oliphant. »Sie ist ein königliches Geschenk für Ihre Britannische Majestät. Obwohl ich mir denken könnte, dass der Prinzgemahl, und besonders der junge Alfred, auch eine gewisse Neigung zu ihr entwickeln könnte.«
    Der Automaton begann einzuschenken. Im Inneren des verhüllten Ellbogens war ein Scharniergelenk und ein zweites im Handgelenk; mit einem sanften Gleiten von Zugkabeln und einem gedämpften hölzernen Klicken schenkte sie den Whisky ein. »Sie bewegt sich ganz ähnlich wie eine maschinengesteuerte Maudsleydrehbank«, bemerkte Mallory. »Ist es das, wo sie die Pläne bekommen haben?«
    »Nein, sie ist ganz und gar einheimischen Ursprungs«, sagte Oliphant. Mr. Matsuki servierte den eingeschenkten Whisky in kleinen Keramikschalen um den Tisch. »Es ist kein Stückchen Metall in ihr, obwohl man es glauben möchte: alles Bambus und geflochtenes Rosshaar, und Federn aus Fischbein. Die Japaner verstehen sich seit vielen Jahren auf die Herstellung solcher Puppen – karakuri werden sie genannt.«
    Mallory probierte seinen Whisky. Schottischer Malt. Er war von Oliphants Brandy bereits ein wenig angeheitert, und jetzt verschaffte ihm der Anblick der Puppe das Gefühl, er sei in eine Weihnachtspantomime geraten. »Kann sie gehen?« fragte er. »Vielleicht die Flöte spielen? Oder etwas Ähnliches?«
    »Nein, sie schenkt nur ein«, sagte Oliphant. »Aber mit jeder der beiden Hände.«
    Mallory fühlte die Blicke der Japaner auf sich. Es war deutlich, dass die Puppe für sie kein aufsehenerregendes Wunderding war. Sie wollten wissen,

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