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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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drohten.
    Mallory schlitzte einen Bittbrief auf, schüttete den Inhalt ungelesen heraus und fegte die Asche mit dem scharfkantigen Rücken des Geologischen Blattes in den Umschlag. Die Tischplatte war kaum beschädigt …
    »Dr. Mallory?«
    Er blickte in schuldbewusstem Erschrecken auf und sah in das Gesicht eines Fremden. Der Mann, ein großer, glatt rasierter Londoner, sehr einfach gekleidet, mit einem hageren, ernsten Gesicht, stand auf der anderen Seite des Bibliotheks tisches, Mallory gegenüber, Papiere und ein Notizbuch in einer Hand.
    »Ein sehr schlechtes Exemplar«, sagte Mallory in einem instinktiv improvisierten Täuschungsversuch. »In Kampfer eingelegt! Eine schreckliche Technik!« Er faltete den Umschlag und steckte ihn in die Tasche.
    Der Fremde hielt ihm stumm eine Visitenkarte hin.
    Ebenezer Frasers Karte trug seinen Namen, eine Telegrafen nummer und ein kleines geprägtes Staatssiegel. Sonst nichts. Die Rückseite zeigte ein maschinengerastertes Porträt mit dem Ausdruck steinernen Ernstes, welcher der natürliche Ausdruck des Mannes zu sein schien.
    Mallory erhob sich, um ihm die Hand zu geben, dann wurde ihm klar, dass er Säure an den Fingern hatte. Er begnügte sich mit einer Verbeugung, setzte sich sofort wieder und wischte seine Hand verstohlen an der Rückseite seines Hosenbeins ab. Die Haut an Daumen und Zeigefinger fühlte sich ausgetrocknet an, wie in Formaldehyd getaucht.
    »Ich hoffe, Sie bei gutem Wohlbefinden anzutreffen, Sir«, murmelte Fraser und setzte sich ihm gegenüber. »Haben Sie sich vom gestrigen Angriff erholt?«
    Mallory blickte durch den Raum. Die anderen standen noch immer beisammen, aber seine merkwürdigen Zauberkunststücke und Frasers plötzliches Erscheinen schienen sie neugierig gemacht zu haben.
    »Eine Kleinigkeit«, sagte Mallory. »Kann jedem passieren in London.«
    Fraser hob kaum merklich eine dunkle Augenbraue.
    »Es tut mir leid, dass mein Missgeschick Ihnen Anlass geben sollte, sich um mich zu bemühen, Mr. Fraser.«
    »Keine Mühe, Sir.« Fraser öffnete ein ledergebundenes Notizbuch und zog einen Füllfederhalter aus seinem einfachen Jackett. »Irgendwelche Fragen?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, ich habe im Moment wenig Zeit …«
    Fraser brachte ihn mit einem gleichmütigen Blick zum Schweigen. »Bin seit drei Stunden hier, Sir, und warte, dass es Ihnen passt.«
    Mallory setzte zu einer stammelnden Entschuldigung an.
    Fraser beachtete sie nicht. »Um sechs Uhr früh beobachtete ich draußen etwas ganz Eigenartiges, Sir. Ein Zeitungsjunge rief in die Welt hinaus, dass Leviathan-Mallory wegen Mordes verhaftet worden sei.«
    »Ich? Edward Mallory?«
    Fraser nickte.
    »Das verstehe ich nicht. Warum sollte ein Zeitungsjunge eine so offenkundige Lüge ausrufen?«
    »Verkaufte einen Teil seiner Zeitungen«, sagte Fraser trocken. »Kaufte selbst eine.«
    »Was in aller Welt hatte diese Zeitung über mich zu sagen?«
    »Nicht ein Wort über irgendeinen Mallory«, sagte Fraser. »Sie können selbst sehen.« Er ließ eine gefaltete Zeitung auf die Tischplatte fallen: die neueste Nummer des Daily Express.
    Mallory legte die Zeitung sorgsam auf seinen Korb. »Ein böswilliger Streich«, sagte er mit trockener Kehle. »Die Straßenjungen hier sind für alles zu haben …«
    »Als ich wieder hinausging, hatte der kleine Schlingel das Weite gesucht«, sagte Fraser. »Aber einige Ihrer Kollegen hörten die Rufe des Zeitungsverkäufers. War hier den ganzen Morgen Thema des Tages.«
    »Ich verstehe«, sagte Mallory. »Das erklärt eine gewisse … gut!« Er räusperte sich.
    Fraser beobachtete ihn gleichmütig. »Sie sollten sich jetzt am besten dies ansehen, Sir.« Er nahm ein zusammengefaltetes Papier aus seinem Notizbuch, öffnete es und schob es über die polierte Mahagonifläche.
    Eine gedruckte Daguerreotypie. Ein Toter, ausgestreckt auf einem Brett, ein Stück Baumwollstoff um die Hüften eingesteckt. Das Bild war in einer Leichenhalle aufgenommen worden. Jemand hatte dem Mann mit einem einzigen reißenden Stoß den Bauch vom Unterleib bis zum Brustbein aufgeschlitzt. Die Haut von Brust und Beinen und dem gerundeten Bauch war weiß wie Marmor; in unheimlichem Kontrast dazu befanden sich das sonnengebräunte Gesicht und die Hände.
    Francis Rudwick.
    Am Fuß der Aufnahme befand sich eine Bildunterschrift:
    EINE WISSENSCHAFTLICHE AUTOPSIE.
    Das »batrachische« Subjekt ist in einer katastrophalen Sektion geöffnet.
Das erste in einer Serie.
    »Gott im Himmel!«, rief

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