Die Dilettanten
ein volles Jahr im Bundestag und dessen Wirtschaftsausschuss. Da Wolf keinerlei Berufsausbildung angibt, dürfte es DAA vor allem auf ihr Insiderwissen und ihre Kontakte ankommen. Weil sie für die
DAA
vor allem die Öffentlichkeitsarbeit der Kernenergie-Lobby betreut, gibt es im Juli 2008 Ärger mit den Grünen, der mit Wolfs Parteiaustritt endet.
Um derlei »Missverständnissen« ein Ende zu bereiten, fordert LobbyControl eine dreijährige Karenzzeit. »Es darf nicht sein, dass Spitzenpolitiker nahtlos in Vorstände und Aufsichtsräte wechseln oder ihre noch warmen Kontakte und Insiderinformationen durch Beratungstätigkeiten für die Privatwirtschaft in privilegierten Einfluss umsetzen.« 302
3.3. Die Nebenjobs
Statt Schlips und Kragen sollten die Politiker im Bundestag Trikots tragen, mit den Logos der Firmen, von denen sie bezahlt werden. Um Kontakte zu vereinfachen, könnte auch gleich die Kontonummer des Politikers auf dem Rücken gut lesbar angebracht sein
. 303
Die Nebentätigkeit von Abgeordneten erinnert irgendwie an den Schüleraustausch: Weil so viele Wirtschaftsvertreter in den Ministerien die Arbeit der Politiker machen, müssen auch möglichst viele Volksvertreter nebenbei für die Wirtschaft arbeiten. Und da die Politiker ebenso wie die Konzerne nichts anderes imSinne haben als das Blühen des Deutschen Vaterlandes, können ein gegenseitiges Kennenlernen und ein gemeinsames Arbeiten bis hin zum Zusammenwachsen unserem Gemeinwesen eigentlich nur förderlich sein.
Nun sieht das unsere Neidgesellschaft allerdings bedeutend humorloser und rückt diese zwischenmenschlichen Beziehungen in die Nähe der Korruption. Abgeordnete würden vom Staat ja gerade deshalb so fürstlich entlohnt, um ihre grundgesetzliche Unabhängigkeit zu garantieren. Dies wäre aber bei einem Nebenjob für Unternehmen oder Verbände – frei nach der Maxime
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing
– nicht mehr gewährleistet.
Und entsprechend merken missgünstige Zeitgenossen an, ihnen selbst gestatte der Arbeitgeber Nebenjobs nur eingeschränkt oder gar nicht, weil er von ihnen den vollen und nicht den teilweisen Einsatz der Arbeitskraft erwarte. Und manch ein gemeiner Mitbürger hätte bestimmte Politiker womöglich gar nicht erst in den Bundestag gewählt, wenn sie verkündet hätten, sie stünden für einen Riesenbatzen Geld im Dienste eines Konzerns, und wenn dann noch Zeit übrig sei, kümmerten sie sich gern um die Interessen des Volkes.
Zwar behaupten auch
schwarze Schafe
wie der Rheinländer CDU-Abgeordnete und Lobbyverweigerer Uwe Schummer, er sei mit seiner 70-Stunden-Woche Volksvertretung voll ausgelastet. Er legt sich auf seiner Internetseite in einem unterschriebenen Bürgervertrag sogar fest, keine Nebeneinkünfte anzunehmen und seine Bezüge einmal im Jahr offenzulegen. Auch seinem SPD-Kollegen Ulrich Kelber fehlt für bezahlte Nebengeschäfte schlicht die Zeit: »Bundestagsabgeordneter ist auf jeden Fall ein Vollzeitjob. Ich bin persönlich meistens morgens um 7.00 Uhr im Büro und selten vor Mitternacht wieder raus.« 304
Die Heerschar der anderen aber kann sich die Arbeit offenbar besser organisieren, wie etwa die Rechtsanwältin Annette Kramme mit ihren über 200 (!) Mandanten oder Heinz Riesenhuber (CDU) mit seinen 19 Nebenjobs, darunter Posten in elf Aufsichts-, Verwaltungs- oder Beiräten. 305
Dass diese Effektivitätsgenies mit ihrer Genialität nicht hausieren gehen und ihre Nebeneinkünfte nicht an die große Glocke hängen, spricht eigentlich für ihre an Selbstverleugnung grenzende Bescheidenheit.
So viel sympathische Zurückhaltung allerdings konnte selbst das Bundesverfassungsgericht nicht mit ansehen: Im Juli 2007 erklärten die Karlsruher Richter das Abgeordnetengesetz vom Oktober 2005 für rechtens, wonach die Nebenverdienste der Bundestagsabgeordneten – wenn auch nur recht vage anhand von drei Stufen 306 – für jedermann einsehbar sein müssen. Damit wies das Gericht eine Klage von Friedrich Merz und acht anderen MdB zurück, wonach ihre Nebeneinkünfte niemanden etwas angingen und auch der Bundestag keineswegs im Mittelpunkt der Abgeordnetentätigkeit stehen und folglich die meiste Zeit in Anspruch nehmen müsse. Kritiker wie Parteienrechtler Hans-Herbert von Arnim fordern allerdings nun die Offenlegung der exakten Summe. »Der Wähler muss selbst einschätzen können, ob ein Abgeordneter Diener zweier Herren ist.« 307
Oder gleich mehrerer, wie Kläger Merz: Der frühere
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