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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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jedem niederen Soldaten, der ein paar Groschen sein Eigen nennt, benutzt werden kann.«
    Ihre Unterlippe zitterte vor Zorn, als sie diese Worte hörte. Auf dem Absatz drehte sie sich um. »Verzeiht, es war ein Fehler, hierher zu kommen.«
    »Wartet!«, rief er laut. »Was wollt Ihr von mir, Elisabeth?«
    Sie war beinahe aus dem Zelt getreten, musste sich umdrehen, um wieder in das aufgedunsene Gesicht des Mannes blicken zu können. »Was ist aus Kempen geworden?«
    Er zuckte mit den Schultern, nahm eine neue Flasche und öffnete den Verschluss. »Was mit jeder Stadt passiert, die erobert wird. Plünderung, Brandschatzung, Einquartierung.« Er lächelte, als machte es ihm Freude, darüber zu referieren. »Neben Mord und Vergewaltigung natürlich. Ansonsten habe ich nichts gehört.«
    »Wie habt Ihr überlebt?«
    Er lachte auf. Ein schmerzliches, trauriges Lachen. »Männer ohne Ehre überleben leicht.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Einst diente ich in der Kaiserlichen Armee. Ein kleiner Soldat mit genügend Träumen und Flausen im Kopf, dass es für fünf gereicht hätte. Der Sold war gut. Ich wollte ein paar Jahre dienen und Geld für eine eigene Schenke zusammensparen. Kannst du dir das vorstellen? Ich wollte einmal Wirt werden!«, kicherte er leise. Einige Sekunden vergingen, in denen der rasselnde Atem des Hauptmanns zu hören war. »Es war eine Nacht wie die heutige. Wir marschierten zum Scharfenberg, dort bei Wittstock. Wollten unsere Heere noch verstärken, doch es kam anders.«
    Der Blick des Mannes war nun völlig nach oben gerichtet. Er sprach die Worte leise, mit Bedacht, und doch schwang in jedem Satz Schmerz und Trauer mit. Im Geiste, dachte Elisabeth, ist er wieder dort. Unten am Scharfenberg.
    »Wir waren guter Dinge, glaubten, die Schlacht für uns entscheiden zu können. Immerhin zogen wir mit 22.000 Mann in den Kampf – gegen knapp 16.000 Schweden. Ich wurde ins Zentrum von Feldmarschall Hatzfelds Truppen beordert. Mutig schritten wir voran, dachten, wir könnten Baniers Flügel aufreißen, doch seine Männer behaupteten sich.« Seine Stimme war klar. Kein Lallen war mehr während der Ausführungen des Betrunkenen zu hören. Seine Zähne mahlten aufeinander, er fixierte Elisabeth. »Es war grausam, überall Blut und Leichen, von der Herrlichkeit großer Taten ist der Krieg meilenweit entfernt. Als die beiden Heere aufeinandertrafen, brach Chaos aus. Überall waren Blut und tote Körper zu sehen. Man konnte Freund und Feind in diesem Tollhaus der Gewalt nicht mehr unterscheiden. Säbel und Piken blitzten in der Nacht auf, und du weißt, dass jedes Gesicht, das du siehst, jeder Laut, den du hörst, jeder Atemzug, den du tätigst, das Letzte sein könnte, was du in diesem Leben erleben darfst.« Mit Mühe schaffte es der Hauptmann, sich aufzurichten. »Ich bin zurückgekehrt, wollte ein ruhiges Leben in der Stadtwache verbringen, weit weg vom Krieg und den Schreien, welche die Nacht durchbrechen. Doch er holte mich ein, scheint mich zu verfolgen.« Er legte seine Hand auf Elisabeths Schulter, als müsste er sich abstützen. »Wir haben tapfer gekämpft, am Ende fiel die Stadt und uns blieb nur die Möglichkeit, wieder in den Kriegsdienst einzutreten, auf hessischer Seite. Ich hatte Glück, dass Eberstein so viel von mir hält, durfte Hauptmann für das Regiment der Söldner werden.«
    Kraftlos ließ er sich auf die Decken fallen, welche ihm als Bett dienten, und schloss einen Moment die Augen, als würde er seine Kräfte sammeln müssen.
    »Warum erzählt Ihr mir das?«, wollte Elisabeth wissen.
    »Ich habe diese Geschichte schon einmal jemandem erzählt. Jemandem, den du sehr gut kanntest.«
    Dann war Stille. Das Flackern der Kerze tauchte sein Gesicht in einen zuckenden Halbschatten.
    »Wen meint Ihr?«, fragte Elisabeth energisch. Der Hauptmann schien in die süße Erholung des Schlafes abgeglitten zu sein. Sie stürzte auf ihn zu, riss die Flasche an sich. »Wem habt Ihr diese Geschichte bereits erzählt?«
    Es dauerte, bis er seine schweren Lider erneut öffnete. »Lorenz war sein Name. Dieser Bursche, auf den du ein Auge geworfen hattest. Genau wie deine Schwester. Leider war er nicht so klug wie ich. Er musste ja versuchen, sie aus den Händen der Bewohner zu retten. Hätte er sich herausgehalten, wäre er vielleicht noch am Leben.« Gespielt nachdenklich fuhr er sich durch den Spitzbart. »Wenn ich es mir recht überlege, wären sie vielleicht alle noch ihres Lebens habhaft, hättest du

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