Die Donovans 4: Der verzauberte Fremde
verputzt.“
„Dann setzen Sie sich. Sie können sie mit Tee herunterspülen. Sie sind bestimmt durchgefroren nach Ihrem Spaziergang. Es weht ein scharfer Wind heute.“
„Ja, kann man wohl sagen.“ Sie setzte sich an den kleinen Tisch, an dem gerade Platz für zwei war. „Ich weiß nicht einmal, wie lange ich unterwegs war“, begann sie und fuhr sich durch das wirre Haar, während er die Kanne auf den Tisch stellte. „Ich wurde von einem …“ Sie brach ab, als er mit einem Daumen über ihre Wange fuhr.
„Ihr Gesicht ist zerkratzt.“ Er sagte es mit leiser, sanfter Stimme und betrachtete den kleinen Blutstropfen, der auf seinem Finger zurückgeblieben war.
„Oh, ich … ich bin in Dornen hängen geblieben.“ Sie verlor sich in seinen Augen, ertrank in ihnen. Wollte in ihnen ertrinken. „Liam …“
Er berührte ihre Wange noch einmal, nahm der Wunde den Schmerz, ohne dass Rowan es überhaupt bemerkte. „Sie wurden abgelenkt.“ Er trat von ihr zurück und setzte sich auf den anderen Stuhl. „Dort im Wald.“
„Ah … ja. Von einem weißen Reh.“
Er hob eine Augenbraue, während er Tee eingoss. „Ein weißes Reh?
Sind Sie etwa auf einem Kreuzzug, Rowan?“
Sie lächelte verlegen. „Ein weißes Reh oder ein Vogel oder ein Pferd – Symbole, die in der Literatur benutzt werden, wenn man auf der Suche nach etwas ist. Nun, immerhin habe ich Ihr Blockhaus gesucht. Aber ich habe das Tier wirklich gesehen. Es war ganz deutlich zu erkennen.“
„Das bezweifle ich auch nicht“, erwiderte er leise. Seine Mutter liebte traditionelle Symbole.
„Haben Sie es auch schon gesehen?“
„Ja.“ Er trank von seinem Tee. „Allerdings ist das schon länger her.“
„Es ist wunderschön, nicht wahr?“
„Oh ja, das ist es. Aber wärmen Sie sich jetzt erst einmal auf. Sie sind so zart, Sie frösteln.“
„Ich bin in San Francisco aufgewachsen, ich bin Frösteln gewohnt. Auf jeden Fall, ich habe es gesehen, und ich konnte nicht anders, als ihm zu folgen. Dabei bin ich auf dieser Lichtung gelandet, mit dem Steinring.“
Sein Blick wurde schärfer, die Augen blitzten auf. „Das Reh hat Sie dorthin geführt?“
„So könnte man es sehen. Kennen Sie diesen Ort? Ich hätte nie erwartet, hier so etwas zu finden. In Irland vielleicht oder in England, Wales oder Cornwall, aber doch nicht hier, in Oregon.“
„Man findet sie, wo sie erwünscht sind. Oder gebraucht werden. Sind Sie in den Kreis getreten?“
„Nein. Es ist albern, ich weiß, aber es war mir irgendwie unheimlich, deshalb bin ich nur um ihn herumgelaufen. Und habe mich dann gründlich verlaufen.“
Er sollte sich eigentlich erleichtert fühlen, stattdessen verspürte er ein schwaches Gefühl von Enttäuschung. Allerdings machte er sich auch bewusst, dass er es sofort gespürt hätte, wäre sie in den Kreis getreten.
„So schlimm können Sie sich nicht verlaufen haben, Sie haben schließlich hierhergefunden.“
„Der Pfad endete plötzlich, und ich hatte jegliche Orientierung verloren.
Mein Orientierungssinn ist sowieso nicht der beste. Aber der Tee ist wunderbar“, fügte sie an. Heiß und stark und mild zugleich, mit einem Hauch von Süße.
„Eine alte Familienmischung“, bemerkte er mit dem Anflug eines Lächelns und biss hungrig in einen ihrer Kekse. „Die schmecken gut. Sie können also kochen und backen, Rowan?“
„Sicher, nur die Resultate sind unterschiedlich.“ Die überschäumende gute Laune von heute Morgen kam zurück. „Die Kekse gehen auf das ‚Gelungen‘-Konto. Ihr Haus gefällt mir. Es ist, als stamme es aus einem Buch, wie es hier an die Klippen geschmiegt steht, umgeben vom Glitzern des Meeres.“
„Für mich reicht es. Für den Moment.“
„Dieser Ausblick …“ Sie erhob sich und ging zum Fenster, sah hinaus.
„Einfach atemberaubend. Bei einem Sturm wie gestern Nacht muss es bezaubernd schön sein.“
Bezaubernd, wiederholte er in Gedanken. Er kannte die Vorliebe seines Vaters, das Wetter für seine Zwecke zu manipulieren. Denn nichts anderes war dieser Sturm gewesen. „Haben Sie gut geschlafen?“
Rowan spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Sie konnte ihm unmöglich erzählen, dass sie davon geträumt hatte, wie er sie liebte. „Ich kann mich nicht erinnern, je besser geschlafen zu haben.“
Lachend stand er auf. „Das ist schmeichelhaft. Zu wissen, dass meine Gegenwart Sie so beruhigt hat.“
„Hm.“ Sie bemühte sich, das Gefühl abzuschütteln, dass er ihre Gedanken erahnte,
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