Die Doppelgaengerin
sie lächelnd. »Auf diese Weise kann ich Mom ehrlich sagen, ich wüsste nicht, wo ihr beide schlaft, wenn sie mich danach fragt.«
Mom war bestimmt nicht prüde – ganz und gar nicht –, aber sie hatte ihren Töchtern mit auf den Weg gegeben, dass eine kluge Frau erst mit einem Mann schlief, wenn sie eine feste Beziehung mit ihm hatte, und in ihrer Vorstellung war das mindestens mit einem Verlobungsring am Finger gleichzusetzen. Sie war der Meinung, dass Männer, die bekanntlich schlichte Wesen sind, etwas umso höher schätzen, je mehr sie sich dafür abmühen müssen. Im Prinzip stimme ich ihr zu, wenn auch nicht unbedingt bei der Umsetzung. Unter uns gesagt: Meine gegenwärtige Situation widersprach diesem Prinzip radikal. Wyatt hatte sich überhaupt nicht um mich bemühen müssen; er brauchte mich nur auf den Hals zu küssen. Ich verfluchte den Tag, an dem er diese meine Schwäche entdeckt hatte. Dennoch sei zu meinen Gunsten gesagt, dass er der einzige Mann war, der meine Selbstbeherrschung so leicht untergraben konnte.
Jenni legte die Schlüssel des Mietwagens auf die Küchentheke und folgte Wyatt auf dem kurzen Rundgang durchs Erdgeschoss, das aus Küche, Esszimmer, dem (ungenutzten) vornehmen Speisezimmer, dem (ebenso ungenutzten) Salon und dem Wohnzimmer bestand. Gleich neben der Küche hatte er sich ein kleines Arbeitszimmer eingerichtet, wie ich im Lauf des Tages entdeckt hatte, aber das führte er ihr nicht vor; es war winzig, höchstens zwei auf zwei Meter groß, und eignete sich eher für eine Speise- oder Abstellkammer denn zum Arbeitszimmer, aber er hatte alles Wichtige darin untergebracht: Schreibtisch, Aktenschrank, Computer, Drucker, Fax. Der Aktenschrank bot keine interessanten Einblicke. Ich hatte ein wenig auf dem Computer herumgespielt, aber keine Dateien geöffnet. Selbst ich habe Skrupel.
Ich schickte die beiden allein auf ihren Rundgang, aber ich hörte, wie er im Wohnzimmer stehen blieb und den Fernseher einschaltete – um zu prüfen, ob ich an seiner Fernbedienung rumgespielt hatte, wie? Ich feixte in mich hinein. Natürlich hatte ich mit dem Gedanken gespielt, die Batterien herauszunehmen, aber das wollte ich mir für unseren nächsten Streit aufsparen. Nein, wahrscheinlich hatte er irgendwo für alle Fälle ein Batterielager. Viel schlauer wäre es, einfach einkaufen zu gehen … und die Fernbedienung vorher zufällig in meine Handtasche fallen zu lassen. Solche Dinge sollte eine Frau stets im Voraus planen, damit sie im Ernstfall nicht zaudert. Wer zaudert, wird erwischt.
Bis sie ins Esszimmer zurückkamen, hatte ich Gläser mit Eistee auf den Tisch gestellt. Wyatt nahm eines und kippte die Hälfte des Inhalts mit hüpfendem Adamsapfel hinunter, ohne auch nur Luft zu holen. Auch wenn er ausgesprochen freundlich zu Jenni gewesen war, konnte ich auf seinem Gesicht Furchen der Frustration erkennen. Offenbar hatte die Polizei immer noch keinen Schimmer, wer mich umzubringen versuchte und warum.
Als er das Glas wieder senkte, sah er mich lächelnd an. »Dein Kuchen war der Hit. Die Form war in nicht einmal dreißig Minuten ratzeputz leer gefuttert, und hinterher waren alle auf dem Zuckertrip.«
»Hast du etwa einen Donut-Krümelkuchen gemacht?«, fragte Jenni und stöhnte. »Und es ist keiner mehr da?«
Wyatt schmunzelte. »Rein zufällig wurden zwei gebacken, und einer steht noch im Kühlschrank. Möchtest du ein Stück?«
Sie bestätigte das mit der Begeisterung eines halb verhungerten Wolfes, und Wyatt zog die Kuchenform aus dem Kühlschrank. Ich drehte mich zum Küchenschrank um und holte zwei Kuchenteller und zwei Löffel heraus. »Und du willst nichts davon?«, fragte Jenni stirnrunzelnd.
»Nein. Ich kann zurzeit keinen Sport treiben und muss mich deshalb beim Essen einschränken.« Auch wenn das kein großes Vergnügen war; ich treibe viel lieber jeden Tag ein, zwei Stunden Sport, als Kalorien zu zählen. Natürlich hätte ich gern ein Stück Kuchen gehabt, aber es war nicht so, als würde ich nie wieder welchen essen können – nur im Moment halt nicht.
Wir setzten uns an den Tisch, und Wyatt und Jenni verschlangen ihren Kuchen. Ich fragte Wyatt, ob es überhaupt eine brauchbare Spur gab, und er seufzte.
»Die Spurensicherung hat in der Erde hinter deiner Wohnung einen Fußabdruck gefunden, den sie analysiert haben. Es handelt sich um einen Frauensportschuh …«
»Wahrscheinlich meinen«, meinte ich, aber er schüttelte den Kopf.
»Nur wenn du Größe 40 trägst,
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