Die Doppelgaengerin
meine Zwecke nutzen? Ich bin nicht so blöd, eine Trumpfkarte wegzuwerfen, ganz egal, wie sie in meine Hand gelangt ist.
Nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte, half er mir beim Ausziehen und deckte mich zu. Noch ehe er die Tür hinter sich zugezogen hatte, war ich eingeschlafen.
Ich schlief die ganze Nacht durch und merkte nicht einmal, wie er zu mir ins Bett kam. Erst als sein Wecker klingelte, wurde ich wach und streckte schläfrig den Arm aus, um ihm über die Hüfte zu streicheln, während er sich reckte, um den Wecker abzuschalten. »Wie geht es dir heute Morgen?«, fragte er, nachdem er sich auf den Rücken gewälzt und den Kopf mir zugedreht hatte.
»Nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte. Besser als gestern Abend. Natürlich habe ich noch nicht aufzustehen versucht. Habe ich zwei blaue Augen bekommen?« Mit angehaltenem Atem erwartete ich sein Urteil.
»Nicht so richtig«, befand er nach einem eingehenden Studium. »Die blauen Flecken sind nicht schlimmer als gestern Abend. Offenbar hat das Weiber-Voodoo in der Küche deiner Mutter gewirkt.«
Gott sei Dank. Sicherheitshalber würde ich das Eispackungsritual heute noch einmal durchführen. Ich stehe nicht so auf Waschbären-Look.
Wyatt stand nicht gleich auf, und ich auch nicht. Er streckte sich gähnend und kuschelte sich dann schläfrig unter die Decke. Unterhalb seiner Gürtellinie hatte sich ein interessantes Zelt gebildet, das ich mir zu gern näher angesehen hätte, aber das kam mir grausam vor, nachdem ich erklärt hatte, keinen Sex mit ihm haben zu wollen. Nein, das war nicht ganz richtig; es war nicht so, dass ich keinen Sex haben wollte, ich wusste viel mehr, dass wir noch vieles zu klären hatten, bevor wir Sex haben sollten. Trotzdem wollte ich nur allzu gern.
Bevor ich der Versuchung – wieder mal – erliegen konnte, richtete ich meine Aufmerksamkeit angestrengt auf andere Dinge und setzte mich nicht weniger angestrengt auf. Das Aufsetzen schmerzte. Sehr sogar. Ich biss mir auf die Unterlippe, schwang die Beine vom Bett, stand auf und wagte einen ersten Schritt. Und einen zweiten. Humpelnd und gebeugt wie eine Wetterhexe arbeitete ich mich ins Bad vor.
Die schlechte Nachricht war, dass meine Muskeln heute noch verkrampfter waren als gestern Abend, was ich aber nicht anders erwartet hatte. Die gute Nachricht war, dass ich genau wusste, was gegen verkrampfte Muskeln hilft. Morgen würde es mir viel besser gehen.
Ein heißes Bad, während Wyatt Frühstück machte, half ungemein. Genau wie das Ibuprofen, die vorsichtigen Dehnübungen und die erste Tasse Kaffee. Der Kaffee half mir eher emotional als körperlich auf die Beine, aber schließlich darf man seine Gefühle nicht vernachlässigen, oder?
Nach dem Frühstück machte ich den Zuckerguss für die Krümelkuchen. Der war kinderleicht, weil ich dazu nur zerlassene Butter, Puderzucker und etwas Rumaroma verrühren musste. Über den Zuckergehalt dieses Kuchens möchte ich lieber den Mantel des Schweigens breiten, aber allein bei dem Gedanken an den ersten Bissen lief mir das Wasser im Mund zusammen. Wyatt konnte der Versuchung nicht widerstehen; noch bevor der Zuckerguss ganz abgekühlt war, hatte er einen Esslöffel voll auf eine Untertasse getröpfelt und den Finger durchgezogen. Im nächsten Moment begann er, die Augen halb geschlossen, selig zu brummen. »Mann, ist das gut. Ich glaube, ich werde beide Kuchen für mich behalten.«
»Wenn du das tust, verpetze ich dich.«
Er seufzte. »Schon gut, schon gut. Aber du kannst mir diesen Kuchen jedes Jahr zum Geburtstag machen, okay?«
»Du weißt doch, wie er geht«, sagte ich mit großen Augen, aber mein Herz vollführte bei der Aussicht, fortan Jahr für Jahr seinen Geburtstag mit ihm zu feiern, einen kleinen Stepptanz. »Wann hast du überhaupt Geburtstag?«
»Am dritten November. Und du?«
»Am fünfzehnten August.« Ach du Schreck. Nicht, dass ich an Astrologie oder so glauben würde, aber Skorpion und Löwe können eine ziemlich explosive Mischung abgeben. Beide sind eigensinnig und hitzköpfig, obwohl ich in dieser Beziehung aus der Norm falle, weil ich wirklich nicht hitzköpfig bin. In puncto Eigensinn muss ich allerdings auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren.
»Wieso schaust du so ernst?«, fragte er und strich mit dem Zeigefinger zwischen meinen Brauen auf und ab.
»Du bist Skorpion.«
»Na und? Hast du was gegen Skorpione?« Er legte die Hand auf meine Taille, drückte mich an seinen Unterleib und beugte sich
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