Die Dornen der Rose (German Edition)
sich auf die Schreibunterlage ihres Tisches. Auf ihrem Gesicht lag ein grimmiger Ausdruck. »Zumindest wissen wir, wo er ist.«
Althea stellte das Tablett auf einem kleinen Tischchen neben dem leeren Rost des Kamins ab. »Im Kloster Saint-Barthélémy in der Rue Tessier.«
»Ich habe es von draußen gesehen. Ein unzugänglicher Steinhaufen. Haben wir irgendwelche Verbindungen zum Kloster? Kennen wir irgendjemanden, der etwas darüber weiß?«
»Noch nicht. Ich ziehe gerade Erkundigungen ein.« Althea goss kochendes Wasser aus dem schwarzen Kessel in die Teekanne.
In Carruthers ’ Gesicht sah man jedes einzelne Lebensjahr. Die Disziplin, mit der sie sich beherrschte, war deutlich zu spüren. Unter ihrer Oberfläche brodelte Zorn. »Wir werden uns natürlich die Wärter vornehmen und versuchen, sie zu bestechen.«
»Wir können nicht dafür sorgen, dass die Anklage zurückgezogen wird. Sie wurde von Victor de Fleurignac eingereicht.«
»So verlieren wir also unsere Spione. Irgendein Dummkopf hebt einen Rock. Und so ein Schwein muss dann unbedingt die Ehre seiner Cousine verteidigen.« Sie zerknüllte die Zeitung, die vor ihr lag, und warf sie in den Eimer, der neben dem Schreibtisch stand. »Nicht aus politischen Gründen. Nicht wegen irgendwelcher Ideale. Es wurden auch keine nützlichen Informationen gewonnen. Sondern alles geschah nur wegen einer Frau. Und sogar bei einem Mann wie Will Doyle passiert so etwas. Wo ist sie?«
»Sie wurde nicht verhaftet. Und ist auch nicht nach Hause zurückgekehrt.« Althea zuckte die Achseln. »Sie wird wohl gut im Verstecken sein.«
»Dann werden wir gut im Aufspüren sein.« Carruthers betrachtete die Strahlen der Nachmittagssonne, die schräg in den Hof fielen. »Wir haben ja auch unsere Leute in La Flèche.«
»Keiner, der dem Fink nahestünde. Sonst hätten wir schon vor Monaten gewusst, wer sie ist.« Ein Zuckerstück fiel klickend in die Tasse. Thea goss Tee ein und fügte dann drei Tropfen Milch hinzu.
»Ich habe gesagt, ich würde mich um sie kümmern. Um das zu tun, muss ich jedoch wissen, wo sie ist und was sie macht.«
»Sie wird Pläne machen, wie sie Will retten kann.«
»Oder ihn noch mehr verraten kann.« Carruthers kniff die Lippen zusammen. »Mach nicht den gleichen Fehler wie Will. Wir haben keinen Grund, ihr zu vertrauen.«
»Alles, was wir über den Fink wissen, spricht dafür, dass sie eine gute Frau ist.«
»Sie ist eine gute Französin. Sie ist die bewundernswerte Anführerin von La Flèche. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie auf unserer Seite ist. Marguerite de Fleurignac ist keine von uns.«
Althea rührte den Tee um und reichte die Tasse weiter. »Na, na, Helen …«
»Mich fasziniert eine junge Liebe nicht so sehr wie dich. Ich habe mehr von Doyle erwartet. Ich habe ihn besser ausgebildet. Was für törichte Sachen macht er da mitten in einem Auftrag?«
»Du wirst allmählich eine Zynikerin. Will macht bei der Einschätzung von Menschen keine Fehler. Wenn er sein Leben in ihre Hände gelegt hat, dann sind das vertrauenswürdige Hände.«
»Du bist eine Romantikerin, Thea.« Ungeduldig stand Carruthers auf und trat ans Fenster. Einen Moment lang stand sie nur da, die zarte Tasse in der Hand. »Nun gut. Nehmen wir an, sie versucht, ihn zu retten.«
»Sie könnte Erfolg haben. Der Fink von La Flèche ist besser als jeder andere, den wir kennen. Niemand vom Geheimdienst kann es mit ihr aufnehmen.«
»Wir kennen ihre Arbeit.«
»Wenn du jemanden auswählen müsstest, Will zu befreien, würdest du zu ihr gehen.«
»Vielleicht.« Carruthers betrachtete den jüngsten ihrer Agenten, der sich gerade auf der anderen Seite des Hofes aufhielt. Paxton. Er war siebzehn. Jeder Einzelne ihrer Männer und Frauen konnte schon morgen im Gefängnis einsitzen und nächste Woche tot sein. Doch sie hätte nie gedacht, dass das dem zähen, unverwüstlichen Will Doyle passieren könnte. »La Flèche hat schon früher versucht, Leute aus dem Gefängnis zu befreien, und ist gescheitert.«
»Es ist auch gelungen. Häufig. Sie wird ihren Guillaume herausholen, Helen. Es gibt keine größere Kraft auf Erden als die einer entschlossenen Frau.« Althea räumte das Tablett auf. Als sie das Gefühl hatte, dass genug Zeit verstrichen war, meinte sie: »Wir müssen ihr helfen.«
»Sie kann sich auf La Flèche stützen.« Carruthers nahm einen langen, nachdenklichen Schluck von ihrem Tee. »Aber du hast recht. Wenn wir sie finden und falls Hilfe notwendig ist, werden
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