Die Dornen der Rose (German Edition)
wieder einzupacken.
Der Wein ist ein guter Test. Jetzt weiß ich Bescheid.
Sie hatte vier Wärter gesehen. Der ranghöchste Offizier befand sich zu ihrer Rechten am Ende des Tisches. Ein Mann mit zottigem grauem Haar und tiefen Falten im Gesicht. Er beschäftigte sich mit der öden Aufgabe, die kleinen Federn aus seinem Gewehr herauszunehmen und sie vor sich auf ein weißes Taschentuch zu legen. Er sah aus, als wüsste er, was er tat.
Der also nicht. Jemand, der solch komplizierte Arbeiten so sorgfältig ausführte, war einer, der zu viel dachte. Er würde zögern und sich alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen, auch wenn er das Geld schon in Händen hielt. So einen konnte man nicht gut bestechen.
Aber dieser Mann hier – der, welcher hatte wissen wollen, was sich in ihrem Korb befand –, hatte die schlaffen Lippen und den selbstgefälligen Blick eines Menschen, der sich gerne etwas gönnte. Dieser Langfinger, der sich den billigen Wein geangelt hatte, konnte ihren Zwecken da schon besser dienen.
Er setzte den Zeigefinger auf die carte de sûreté , die sie vor ihm hingelegt hatte. Es war eine frische Fälschung, doch völlig trocken. Das hatte sie noch überprüft, ehe sie den Dachboden verlassen hatte.
»Sie sind also Bürgerin LeBreton? Sie sind seine Frau?«
Er kann nicht lesen . »Ich bin Bürgerin Odette Corrigou. Ich gehöre der Section des Marchés an. Weder bin ich seine Frau, noch werde ich es wohl je sein, da Sie ihn ja eingesperrt haben. Was ich jetzt machen soll, wo ein Baby unterwegs ist und ich keinen Ehemann habe, der mich unterstützt, weiß ich nicht.«
Das war ein mehr als guter Grund, verärgert zu sein und Bürger LeBreton im Gefängnis besuchen zu wollen. Sogar um ihn mehrmals zu besuchen. Die Wärter würden einer Freundin gegenüber mehr Mitgefühl haben als einer Ehefrau. Männer mochten ihre Freundinnen meist lieber als ihre Ehefrauen.
Sie packte wieder alles in den Korb. »Lassen Sie mich zu ihm?«
Der ranghöchste Wärter gab mit einem Nicken die Anweisung, dass man sie ins Gefängnis einlassen sollte. Ein Anflug von Mitgefühl huschte über sein Gesicht, bevor er sich wieder den kleinen Metallteilchen und seiner Waffe zuwandte. Der Wärter mit dem großen Schwabbelbauch – er war vom anderen Hyppolyte genannt worden – führte sie in den Vorraum, von dem aus man ins eigentliche Gefängnis gelangte. Sie merkte sich die Anzahl der Schritte und die Richtung. Später würde sie anhand dessen eine Karte anfertigen.
Früher einmal hatte diese Tür die Nonnen von der Außenwelt abgeschnitten. Jetzt bildete sie die räumliche Trennung zwischen Wärtern und Gefangenen.
Hyppolyte hatte die Flasche dabei, denn offensichtlich wollte er seine Beute nicht an seine Kollegen verlieren.
»Ich würde Guillaume gern den Wein mitbringen«, sagte sie. »Wein ist eine seiner kleinen Freuden.« Es war ihr egal, ob Guillaume den Wein bekam oder nicht. Sie wollte wissen, ob man Hyppolyte bestechen konnte. Ein Mann, der sich im kleinen Rahmen bestechen ließ, würde auch eine größere Summe nicht ausschlagen.
Sie zog eine Geldbörse aus der Tasche und entnahm ihr einen zusammengefalteten Schein, eine Assignate über fünfzehn Sous. Es war ein gefälschter Schein – eine von vielen gefälschten Assignaten, die Adrian ihr gegeben hatte –, aber das wusste der Wärter ja nicht. Mit fünfzehn Sous konnte man leicht eine Flasche dieses Weins kaufen. Jetzt werden wir sehen .
Hyppolyte hielt seine Hand hin. Er nahm den Schein, hielt die Hand aber weiter ausgestreckt und nahm dann auch noch den nächsten Schein und die Münzen. Als die Börse leer war, hielt er die Flasche hoch.
Damit zeigt er mir, dass er sie mir geben, sie aber auch behalten kann. Jetzt sehen wir mal, ob er vorausschauend genug ist, an zukünftige Bestechungsgelder zu denken .
Er warf ihr die Flasche zu. Sie konnte sie schnell genug auffangen, ehe sie herunterfiel und zerbrach.
Ich habe den Mann gefunden, der bestechlich ist.
»Sag deinem Liebhaber, er soll auf mich trinken.« Er rasselte mit dem Schlüsselbund, öffnete die Tür und ließ sie in das Gefängnis. Hinter ihr drehte sich der Schlüssel im Schloss. Sie verdrängte den Gedanken, wie furchteinflößend das war. Erst sechs Minuten hier, und schon hatte sie etwas Nützliches in Erfahrung gebracht.
Sie blieb stehen, wo sie war. Gedämpft durch die Tür konnte sie Adrians Stimme hören. »Mir ist es nicht wichtig, Bürger. Öffnen Sie ihn oder lassen Sie ihn
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