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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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meinetwegen auch versiegelt. Ich bekomme mein Trinkgeld auf jeden Fall.« Er hatte das Gefängnis nach ihr betreten und sollte einen sehr überzeugenden Brief ausliefern, der an einen unglückseligen Getreidehändler adressiert war, dem das Horten von Ware zur Last gelegt wurde. Der Schreiber des Briefes wollte wissen, ob er Michael LaMartine, der Neffe von Naoille LaMartine aus Quesmy in der Picardie sei. Sie habe ein paar Verbindlichkeiten bezüglich ihres Anwesens zu regeln.
    »Ich soll auf die Antwort warten«, hörte sie Adrian sagen. »Ich habe den ganzen Vormittag Zeit.«
    In Gefängnissen gingen ständig Botschaften ein und aus. Es wurden Geschäfte geführt, Briefe geschrieben … niemand achtete da auf irgendwelche Botenjungen. Adrian würde so gut wie unsichtbar sein und überall herumstöbern können.
    Sie entdeckte Guillaume im dritten Raum, der vom Flur abging. Das waren die Unterkünfte der gewöhnlichen Gefangenen, die es sich nicht leisten konnten, ein besseres Quartier zu bezahlen. Er saß im Schneidersitz auf einer grauen Strohmatte, die auf dem Boden ausgebreitet war, und unterhielt sich mit zwei anderen Männern. Er trug keine Kopfbedeckung, und da er zufällig so saß, dass ein Sonnenstrahl auf sein Haar fiel, strahlte es in einem hellen, vollen Haselnussbraun. Er hatte weder Weste noch Jacke an, und es lag auch kein Tuch um seinen Hals. Man hatte ihn nicht geschlagen, so weit sie das sehen konnte.
    Als er sie bemerkte, stand er auf. Nur mit Hemd und Hose angetan, wirkte er wie ein einfacher Bauer. »Was für eine Überraschung.« Im Vorbeigehen griff er nach seiner Jacke, ehe sich seine Hand um ihren Arm schloss und er sie mit beredtem Schweigen aus dem Raum zog, in dem die Männer schliefen. »Hier können wir uns nicht miteinander unterhalten.«
    Im Gang drängte er sich brüsk an den anderen Männern und Frauen vorbei, die in Zweier- und Dreiergruppen herumstanden, und führte sie zu einer schmalen Treppe, über die man nach oben gelangte.
    Er wollte mit ihr allein sein und zog sie deshalb energisch hinter sich her. Wenn sie allein waren, könnte sie sich an ihn klammern. Ihn einfach nur halten. Inmitten der gelangweilten, neugierigen und vom Schicksal verdammten Mitgefangenen war das nicht möglich.
    »Bist du verletzt?«, fragte sie, und als er nicht antwortete: »Wir wollen beide das Gleiche. Eine kurze Berührung und ein Nicken reichen aus, um mir zu sagen, wohin ich mitkommen soll. Es ist nicht nötig, dass du mich wie ein ungebärdiges Kind hinter dir herziehst.«
    Sein Gesicht war wie immer völlig ausdruckslos, und sie hatte nicht die Muße, nach Hinweisen zu suchen, was er vielleicht fühlen mochte.
    An seinen angespannten Muskeln und seinem Griff erkannte sie, dass er zornig war. Das überraschte sie nicht weiter. Sicher war er wütend, weil sie überhaupt hergekommen war, auch wenn er sich freute, sie zu sehen. Sie war schon froh, dass sie ihn einfach nur berühren konnte, doch auch voller Angst und Wut. In beiden von ihnen tobten widerstreitende Gefühle – es war ein Wunder, dass es sie nicht wie schlecht verpackte Pakete zerriss.
    Da es nirgends Stühle gab, saßen Männer und Frauen auf den unteren Treppenstufen. Unter Guillaumes finsterem Blick rückten sie zur Seite oder wurden von ihm zur Seite gedrängt. Es war ein weiter Weg bis nach oben in den dunklen, nackten Flur, der nur von einem kleinen, hohen Fenster am anderen Ende erhellt wurde. Drei Männer saßen oben auf dem Treppenabsatz und spielten mit Würfeln. Zwei von ihnen waren sehr ärmlich gekleidet, der Dritte trug einen zerknitterten violetten Gehrock und Kniebundhosen.
    »Verschwindet.« Guillaumes Ton hätte sogar hungrige Löwen vertrieben, die sich gerade an einer frisch erlegten Antilope gütlich taten. Die drei Würfelspieler machten sich sofort davon.
    Guillaume ging mit ihr durch den halben Flur, ehe er stehen blieb und sie losließ. Er sah sie finster an.
    »Ich werde nicht lange bleiben«, erklärte sie. »Wir haben nur ein paar Minuten.« Das wusste er. Sie ließ ihn nur wissen, dass sie es auch wusste. »Es gibt keinen Grund, mich so finster anzustarren.«
    »Sag mir, dass du aus diesem Haus raus bist.«
    »Meinem eigenen Haus? Ja. Vollständig. Ich habe mich zurückgezogen und es Cousin Victor überlassen. Das ist wirklich feige von mir, aber ich habe nicht die Zeit, mich mit ihm zu befassen, wenn ich dich hier rausholen will.«
    Sie legte die Hand auf seinen Arm. Einen Moment lang rührte er sich

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