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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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schwarzer Strumpf, der halb fertig von vier Nadeln baumelte. Ihre schottische Gouvernante hatte ihr das Stricken beigebracht und behauptet, dass bei der Charakterbildung Stricken gleich nach dem Essen von Hafergrütze kam. Zwar war sie mittlerweile etwas aus der Übung, trotzdem schlang sie den Wollfaden um ihre Finger und machte sich ans Werk, verwandelte sich in eine eifrige Bauersfrau, die arbeitete, anstatt untätig herumzustehen.
    Und es sorgte dafür, dass ihre Hände nicht zitterten.
    »Kennen Sie einen der Männer am Tor?« Sie sprach so leise, dass sie die Worte beinahe hauchte, damit die Umstehenden sie nicht hörten. »Sind wir deshalb hier, in aller Herrgottsfrühe?«
    »Nein.« Er warf einen Blick auf die barrière . »Sind alles Fremde für mich. Sehen nach guten Revolutionären aus.«
    Die Torwächter waren Sansculotten, Freiwillige aus den Distriktkomitees des Faubourg Saint-Antoine und des Faubourg Saint-Martin, dem radikalen Flügel der Jakobiner treu ergebene Männer. Man konnte den befehlshabenden Offizier durchs Fenster des Wachhäuschens sehen – die Stiefel auf einem Fass, das Kinn auf der Brust.
    Sie schloss kurz die Augen. »Ich verstehe.«
    »Wachsam zudem. Und sie sind schwer bewaffnet.« Guillaume zeigte sich beeindruckt wie ein Kind.
    »Ein Anblick, der einen stolz macht«, stimmte sie zu.
    Genauso fühlten sich ihre Spatzen unterwegs an jedem Kontrollpunkt. Ängstlich und hilflos. Ärgerlich und gefangen. Sie fragte sich, ob sie sich über ihren Kurier ebenso sehr ärgerten wie sie sich über Guillaume.
    Sie war mit einer Nadel fertig und wechselte zur nächsten. Irgendwie würde dieser Strumpf größer ausfallen als beabsichtigt. Unten zwischen den Wagen gewann Adrian erneut und sammelte die Münzen ein. Sie spielten jetzt schon zu fünft, die beiden Jungs und drei erwachsene Männer. Eine kleine Zuschauermenge hatte sich gebildet.
    »Ich frage mich, woher der Junge Geld für den Einsatz hat.« Guillaume fütterte Decorum mit einem Brotstück. »Andererseits will ich es gar nicht wissen.« Mit lauter Stimme wandte er sich an den Bauern, der hinter ihnen stand. »Bürger. Da drüben. Wer ist das?«
    Vier Männer ritten an der Schlange aus Bauern und Fuhrleuten vorbei und wirbelten einigen Staub auf. Sie waren fein gekleidet, jung und ritten edle Pferde.
    »Abgesandte«, antwortete der Bauer. »Auf dem Weg zum Wohlfahrtsausschuss.« Er sah Guillaume an.
    Der Mann vor ihnen meldete sich zu Wort. »Sie waren draußen in den Dörfern, um Preiskontrollen durchzuführen, würde ich sagen.«
    »Vermutlich.« Beide klangen anerkennend. »Sind früh dran.«
    »Ah, oui .« Der Wagen des Bauern knarrte, als dieser das Gewicht verlagerte. »Arbeiten Tag und Nacht zum Wohle des kleinen Mannes.«
    Wie jeder andere in der Schlange wusste auch sie, wo die Abgesandten herkamen. In den Dörfern außerhalb der Tore von Paris lebten hübsche, aber teure Frauen. Den Höchstpreis von Zwiebeln und Kohl regelte das Gesetz, den Preis für Frauen nicht.
    Das Tor öffnete sich, und die barrière ging nach oben. Die Abgesandten ritten hindurch, fast ohne anzuhalten und Fragen beantworten zu müssen.
    Der Torwächter blickte ihnen achselzuckend hinterher. Ungeduldig wandte er sich dem ersten Bauern zu. »Komm schon.«
    Ein Raunen ging durch die Schlange. Männer, die sich an die Räder oder ans Wagenende gelehnt hatten, kletterten wieder hinauf und griffen nach den Zügeln. Stimmen erhoben sich, sprachen zu den Tieren. Jeder gab den Nachbarn die Nachricht weiter, dass das Tor offen war. Gingen von einer Frau zur nächsten und verkündeten, dass sie endlich hinein konnten. Der erste Wagen zog an. Ein Bauer mit einer Hühnerschar durfte sich kontrollieren lassen.
    »Deine Papiere.« Der Torwächter streckte die Hand aus. Die Schlange bewegte sich langsam Richtung Tor. »Der Nächste. Papiere.«
    Mit sittsam auf ihr Strickzeug gesenktem Blick schob sie sich hinter Guillaume voran. Die Schlange bewegte sich fast im Schritttempo. Die Wachposten warfen nur einen flüchtigen Blick auf die Pässe. Wagen wurden gar nicht angesehen.
    »Der Nächste. Papiere.«
    Jetzt waren sie an der Reihe. Sie traten an die barrière . Sollte ihre Beschreibung im Wachhäuschen hängen … Ein aufmerksamer Posten würde genügen. Wenn sich nun jemand ihr Gesicht ansah, ihre zarten Hände! Sie versteckte sie so gut wie möglich unter der Strickwolle.
    Der Wachposten würdigte ihre Papiere keines Blickes. Sah auch sie nicht an. »Der

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