Die Dornen der Rose (German Edition)
ihm abrollte und länger wurde, doch ihn nicht losließ.
Sie würde diesen eleganten, schmarotzenden Cousin aus dem Haus haben wollen. Noch ein Grund mehr für sie, zu ihrem Vater zu gehen. Schließlich hatte er sie nur deshalb nach Paris gebracht, damit sie den alten Mann herauslockte.
Eine Schlange hatte sich vor dem boulanger an der Ecke gebildet. Sie reichte fast um den halben Block. Alle waren mürrisch und hofften, dass das Brot nicht ausging, ehe sie an der Reihe waren. Ladenbesitzer stellten Tische mit Waren vor die Tür. Das Angebot war mager und so verlagerte man den Handel nach draußen.
Er hatte sie dorthin zurückgebracht, wo sie hingehörte: zu ihrer Familie. Er würde sie weiter beobachten lassen. Er würde es erfahren, wenn sie in Schwierigkeiten geriet. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass Victor ihr etwas antun würde. Sie hatte sich im Umgang mit ihm nicht ängstlich verhalten.
Ich kann sie schließlich nicht mit nach Hause nehmen und wie ein Haustier halten .
Die Häuser dieses Stadtteils zeigten zur Straße hin ein ausdrucksloses Gesicht. Privates blieb privat. Durchgänge führten in Innenhöfe, in denen alles durch breite, hohe Doppeltüren abgeschirmt war. Sie waren fest verschlossen und wurden von misstrauischen Pförtnern bewacht.
Die Zentrale des britischen Geheimdienstes lag auf halbem Wege die Rue de la Verrerie hinunter. Das Tor war blau gestrichen.
Er war neunundzwanzig Jahre alt. Seit zwölf Jahren gehörte er dem britischen Geheimdienst an, und seit sechs Jahren war er unabhängiger Spion. Dies war das erste Mal, dass er sich wegen einer Frau komplett zum Narren machte.
Die kleine Tür im großen zweiflügeligen Tor wurde einen Spalt weit geöffnet.
»Ich bin’s. Und der da.« Er zog den Jungen neben sich, damit man ihn sehen konnte. Dem Pförtner war es egal, wen die Spione mitbrachten, und wenn es ein wilder Tiger war, aber er wollte die Betreffenden immer erst sehen.
Die Tür ging auf, und der Pförtner trat zur Seite. Sie gingen durch einen dunklen Überstand in den Hof. Die Hufe von Dulce und Decorum klapperten hinter ihnen her.
Im Innern des Gebäudekomplexes war es ruhig, aber trotz der frühen Morgenstunde war schon alles wach. Die Läden vor den Küchenfenstern standen offen, und die Rahmen waren hochgeschoben. Weiße Vorhänge waren zu erkennen, die sich ganz leicht bewegten. In der offenen Tür am anderen Ende des Hofes, wo eine Treppe nach oben führte, lehnte ein Besen. Zwischen dem Becken aus Stein und den großen Töpfen mit Petunien und Lilien, die an den Wänden aufgereiht standen, war Wasser verschüttet worden, das die Gehwegplatten dunkel färbte. Unter den roten Geranien, die auf den Fenstersimsen standen, hatten sich Pfützen gebildet. Dulce trottete davon und begann, sich Geranien einzuverleiben.
»So wie Sie davon erzählt haben, dachte ich, es wäre größer.« Hawker schaute sich um und überlegte wahrscheinlich, wie man hier am besten einbrach. Es ging doch nichts über einen Jungen mit einem Handwerk.
Alle hier, die sich hinter den Fenstern befanden, die auf den Hof hinausgingen, gehörten dem britischen Geheimdienst an. Seine Leute. Wenn es einen sicheren Hafen in Frankreich gab, dann hier.
Er war erwartet worden. Die Küchentür öffnete sich. Helen Carruthers, die Leiterin für Frankreich, kannte man hier unter dem Namen Hélène Cachard. Alt, dürr, weißhaarig und in tiefes Schwarz gekleidet, trat sie mit kerzengeradem Rücken und mürrisch wie immer heraus. Ihr Schatten – Althea –, rundlich, rosig und in ein rot gestreiftes Kleid verpackt, folgte ihr strahlend.
»Wie ich sehe, haben Sie überlebt.« Carruthers streckte die Arme aus und drückte seine Schultern. Dann ließ sie ihn los und trat einen Schritt zurück. »Wir haben von Ihrer Arbeit in London gehört. Nicht schlecht.«
Aus Carruthers ’ Mund kam dies einer überschwänglichen Umarmung und einem herzlichen Händedruck gleich. Er fragte sich, was sie wohl über die Sache in England gehört haben mochte. Vermutlich fast alles.
Da konnte er dann wohl auch gleich den nächsten Punkt hinter sich bringen. »Adrian Hawkins. Hawker.«
Carruthers konnte sogar ihr Schweigen zu einer Waffe machen. Sie konnte es zusammenrollen und einen damit erschlagen, um einen dann im Garten zu begraben. Er war erstaunt, dass die Blumen nicht verwelkten angesichts der Kälte, die plötzlich in der Luft lag.
»Du bist hier nicht willkommen«, sagte sie zu Hawker.
»Ich habe nicht darum
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