Die Dornen der Rose (German Edition)
verschnörkeltes M .
Nico sprang von ihren Arm und begann ihren Schreibtisch zu erforschen. Er tauchte mit den Füßchen in den kalten Tee und hinterließ Affenabdrücke auf der Schreibunterlage.
Sie entfaltete das Papier. Es standen zwei Wörter in der Handschrift ihres Vaters darauf: Tuileries und Geld .
Ihr Vater hatte offensichtlich Nico im Garten freigelassen und war dann zum – sie schaute noch einmal auf den Zettel, obwohl das unnötig war – Jardin des Tuileries weitergegangen. Er wusste, dass ihr sofort klar sein würde, welche Stelle genau er in dem riesigen Gartengelände meinte. Er wusste, dass sie sofort zu ihm eilen würde.
Er war verrückt und durch und durch egoistisch. In allen wichtigen Belangen gingen ihre Ansichten auseinander. Aber sie verstanden einander genau. Es war doch schön, eine Familie zu haben.
Nico befand, dass dies ein Abend war, an dem man sich verrückt und exzentrisch verhalten durfte, und plünderte die Bonbondose.
27
Hawker übte sich in der Kunst des Unsichtbarseins, mit der er schon ein bisschen vertraut war. Es war die verletzliche Phase der Nacht. Die Zeit, in der man leicht Beute machen konnte. Falls man sich versteckt halten wollte, gab es dunkle Ecken. Und wenn man nicht an einer Stelle lauern wollte, konnte man sich unter die Menge mischen, die von den Cafés oder vom Theater nach Hause strömte. Auf der Straße gab es Arme, denen es in ihren Zimmern noch zu heiß war, um dort schlafen zu können. Und Reiche, die auf der Suche nach einer Frau waren. Zu dieser späten Stunde waren alle möglichen Leute unterwegs.
Zu Hause in London würden seine Kumpel bei der Arbeit sein und gerade in einen Laden einbrechen oder ein Schiff ausrauben, das auf der Themse vor Anker lag und bei dem die Offiziere nachlässig waren.
Er lehnte sich neben einem Hauseingang gegen die Wand und tat so, als würde er einen Stein aus seinem Stiefel schütteln. Das Haus, das er beobachtete, befand sich etwa fünfzehn Meter weiter in der Rue Honoré. Vor ein paar Jahren war das noch die Rue Saint-Honoré gewesen, ehe in Paris alles entheiligt worden war.
Fünf Männer gingen an ihm vorbei. Jeder einzelne hatte Wichtigeres vor, als ihn überhaupt zu bemerken.
Wäre er in London gewesen, würde er mit Beets, Rory und Sticker zusammen sein. Nach getaner Arbeit würden sie bei einer Garküche in St. Giles Halt machen, um Würstchen zu essen, ehe sie in ihre Absteige zurückkehrten, um Lazarus ihre Beute auszuhändigen. Oder, falls sie nichts erbeutet hatten, würden sie schließlich in einer Taverne landen, wo sie sich betranken und Entschuldigungen zurechtlegten.
Er ging immer noch seiner Arbeit nach, raubte immer noch Häuser aus. Doch jetzt tat er es im Dienste des britischen Geheimdienstes. Das Leben war schon seltsam.
Die ganze Straße entlang standen Laternen, und manche Hausbesitzer hatten ebenfalls einige davon vor ihre Türen gehängt. Er würde diesen ganzen verdammten hell erleuchteten Bereich durchqueren müssen, um da hinzugelangen, wo er hin wollte.
Das hier … das war Robespierres Haus.
Der mächtigste Mann Frankreichs – fast schon ein König, wobei der kleine Unterschied auch keine Rolle mehr spielte – wohnte in einem Haus, das absolut nichts Besonderes war und im Hof sogar eine Holzhandlung beherbergte. Wenn man Robespierre sehen wollte, tja … brauchte man wahrscheinlich nur um ein paar Balken herumzugehen und an seine Tür zu klopfen.
»Er ist einer aus dem Volk.« Das hatte die Frau, die Zeitungen auf der Straße verkaufte, gesagt, als er fragte, wem das Haus gehörte. »Er ist einer von uns, unser Robespierre, kleiner Bürger. Er lebt so wie wir … ohne Bestechungsgelder und Günstlinge. Er ist der Unbestechliche. Es ist gut, wenn du kommst und siehst, was er ist.«
Es gab keine Wachen, keine dreihundert berittenen Männer in schicken Uniformen, keine großen Eisentore, die alles und jeden aussperrten. Keine Kronjuwelen. Es sah fast so aus, als hätten die Franzosen es irgendwie richtig gemacht.
Entspannt zuckte er die Achseln, übte es, und fast fühlte es sich schon ganz natürlich an, das Kinn mit einem kleinen Ruck zu heben, um nein zu sagen. Oder die Hand zu drehen, um ja zu sagen. Langsam bekam er den Dreh raus. Er lernte, französisch auszusehen. Warum auch nicht? Vielleicht war er ja von einem Franzosen gezeugt worden.
Bei der ganzen Sache ging es um mehr als nur das richtige Schulterzucken. Zum Beispiel auch Kleidung. Doyle hatte ihm komplett neue
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