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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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einfach nicht!« Sie erhob sich rasch, zog ihre Bluse glatt und blickte ihn dann mit einem eigentümlichen, wie schmerzverzerrten Lächeln an. »Es ist schon gut, Ralph. Ich werde jetzt zu Mrs. Smith gehen und ihr sagen, daß sie dir etwas zu essen machen soll. Und dann bringe ich dir das Pferdeliniment. Das ist ein ausgezeichnetes Mittel gegen Prellungen und ähnliches. Auf jeden Fall wirkt es viel besser, als Küsse das je könnten.« Er schwieg einen Augenblick.
    »Funktioniert das Telefon?« fragte er stockend. »Ja. Man hat eine Behelfsleitung gelegt, über die Bäume. Seit einigen Stunden sind wir wieder angeschlossen.«
    Sie verließ den Salon. Er brauchte noch mehrere Minuten, bis er sich genügend gesammelt hatte, um an Fees Escritoire zu treten und den Telefonhörer abzuheben.
    »Hallo, Vermittlung ... Bricassart ... ich spreche von Drogheda aus ... Oh, Sie sind’s, Doreen ... arbeiten also noch immer als Fräulein vom Amt? Schön, Ihre Stimme zu hören. In Sydney ist das immer so anonym, da weiß man nie, mit wem man spricht. Ich möchte ein dringendes Ferngespräch mit Seiner Exzellenz, dem Erzbischof di Contini-Verchese in Sydney anmelden. Seine Nummer ist XX-2324. Und während ich auf Sydney warte, verbinden Sie mich doch bitte mit Bugela, Doreen.«
    Ihm blieb kaum Zeit, Martin King in aller Kürze zu umreißen, was geschehen war. Doch hier genügten wenige Worte. King würde alle verständigen, die dafür in Frage kamen. Zudem hatten, wie stets, mit Sicherheit einige Leute über die Gemeinschaftsleitung bereits mitgehört. Wer, dem tiefen Schlamm zum Trotz, zum Begräbnis kommen wollte, würde es tun oder zumindest versuchen. Die Verbindung mit Sydney war da.
    »Euer Exzellenz? Ich bin’s, Bricassart ... Ja, danke. Bei mir persönlich ist soweit alles in Ordnung. Bei der Landung sackte das Flugzeug allerdings tief in den Schlamm ein, und ich werde per Bahn zurückkommen müssen ... Schlamm, Euer Exzellenz, ja, ich sagte Schlamm! Nein, Euer Exzellenz, wenn es hier richtig regnet, werden Straßen und Wege praktisch für alles, was Räder hat, unpassierbar. Daher bin ich zu Pferd von Gillanbone nach Drogheda, unter diesen Umständen die einzige Möglichkeit ... Nur gut, daß ich es geschafft habe. Ich hatte wohl so etwas wie eine Vorahnung. Leider hat sich dieses Gefühl nur allzusehr bestätigt. Deshalb rufe ich Sie auch an, Exzellenz. Ja, etwas Furchtbares ist geschehen, etwas ganz Furchtbares. Padraic Cleary und sein Sohn Stuart sind tot. Der eine ist im Feuer umgekommen, den anderen hat ein Keiler getötet. Ja, ganz recht, Euer Exzellenz, ich sagte Keiler, K-e-i- l-e-r - ein Wildschwein ... Ja, es stimmt schon, hier draußen hat man bisweilen eine etwas sonderbare Ausdrucksweise.«
    Deutlich vernahm er, wie die heimlichen Mithörer an der Gemeinschaftsleitung voll Empörung tief Luft holten, und er mußte unwillkürlich lächeln. Ihnen zu sagen, sie sollten doch, um Himmels willen, endlich rausgehen aus der Leitung, wäre geradezu herzlos gewesen. Dies war die einzige Art Massenunterhaltung, die Gilly seinen kontakthungrigen Bürgern zu bieten hatte.
    »Mit Ihrer Erlaubnis, Exzellenz, möchte ich gern noch bleiben, schon der Begräbnisfeierlichkeiten, der Totenmesse wegen, und natürlich auch, um mich der Witwe und der anderen Hinterbliebenen anzunehmen ... Ja, Euer Exzellenz, vielen Dank. Ich werde so bald wie möglich nach Sydney
    zurückkehren.«
    Wenig später sagte er zu der Telefonistin: »Doreen, verbinden Sie mich bitte noch einmal mit Bugela.«
    Mehrere Minuten lang sprach er mit Martin King. Da es August war und winterlich kalt, beschloß er, das Doppelbegräbnis um einen Tag zu verschieben. Trotz des Schlamms würden viele dem Begräbnis beiwohnen wollen, würden bereit sein, hierher nach Drogheda zu reiten. Doch es war ein überaus mühsamer und beschwerlicher Weg und brauchte seine Zeit.
    Meggie kam mit dem Pferdeliniment. Schweigend reichte sie ihm die Flasche, erbot sich jedoch nicht, ihm das Mittel einzureiben. Dann sagte sie abrupt, in einer Stunde werde Mrs. Smith im kleinen Speisezimmer für ihn eine warme Mahlzeit bereithalten. So bleibe ihm noch Zeit, in Ruhe ein Bad zu nehmen.
    Voller Unbehagen war er sich bewußt, daß Meggie dachte, er habe an ihr versagt, oder eher wohl: er habe sich ihr versagt. Er begriff ihre Enttäuschung nicht, und noch weniger verstand er ihren Unmut, ihren Zorn. Sie wußte doch, wer und was er war. Was hatte sie erwartet? Wie konnte sie etwas anderes

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