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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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dem Vieh-und-Stations-Agenten von der AM L & F, der ihn an jenem Tag hinausfuhr. Ein harter Schlag für Luke, als er erfuhr, daß Drogheda der Katholischen Kirche gehörte. Doch wußte er inzwischen ja aus bitterer Erfahrung, wie spärlich die Erbinnen größerer oder selbst kleinerer Besitze gesät waren, und als Jimmy Strong ihm noch erzählte, die bewußte einzige Tochter verfüge zweifellos über ein stattliches Sümmchen und habe zudem eine ganze Reihe ihr liebevoll ergebener Brüder, da beschloß er, das Unternehmen wie geplant durchzuführen.
    Nun ließ sich zwar sagen, daß Luke von den 50000 Hektar bei Kynuna oder Winton geträumt hatte und noch träumte, in noch stärkerem Maße behagte ihm die Vorstellung, in einem Kontobuch, das auf seinen Namen ausgestellt war, in knallharten Ziffern Summen angegeben zu finden, die wirklich ein Stück Vermögen darstellten: nicht der Dinge wegen, die er sich für das Geld hätte kaufen können, sondern weil - nun, in den Zahlen verkörperte sich etwas, das sich kaum näher beschreiben ließ. Schon auf Gnarlunga und auf Bingelly war Luke weniger hinter dem Besitz selbst her gewesen als
    vielmehr hinter dem, was er als Geldwert ausmachte.
    Ein Mann, dem es darum ging, auf eigenem Land den großen Boß zu spielen, hätte sich mit einer landlosen Meggie Cleary kaum zufriedengegeben. Und noch etwas: Ein solcher Mann wäre auch kaum darauf versessen gewesen, harte körperliche Arbeit zu verrichten. Was Luke O’Neill tat. Und mit Genuß.
    Der Tanz im Heilig-Kreuz-Saal war der dreizehnte Tanz, zu dem Luke Meggie in einem runden Vierteljahr ausführte. Woher er erfuhr, wo und wann ein Tanz stattfand, und wie es ihm gelang, Einladungen zu ergattern, wußte Meggie nicht. Doch regelmäßig am Samstag bat er Bob um die Schlüssel für den Rolls und kutschierte Meggie dann in einem Umkreis von zweihundertfünfzig Kilometern umher.
    Auf der Rückfahrt hielt er wieder einmal bei dem alten Zaun in der Nähe der Bodenwelle, und sie stiegen aus und blickten über eine Landschaft, auf der diesmal kein helles Mondlicht lag. Unter ihren Füßen hörte Meggie ein Knirschen und Knistern. Frost. Der Winter kündigte sich recht nachdrücklich an. Luke legte den Arm um sie, hielt sie seitlich von sich, schützend.
    »Dir ist kalt«, sagte er. »Ich bringe dich besser nach Hause.« »Nein, nein, ist schon gut«, erwiderte sie ein wenig atemlos, »mir wird schon wärmer.«
    Sie spürte, daß in ihm eine Veränderung vorging, als Reaktion auf ihre Bemerkung vielleicht. Sein Arm, soeben noch locker und gleichsam unpersönlich um ihre Schultern liegend, straffte sich deutlich. Aber es war angenehm, so an Luke gelehnt zu stehen und die Wärme zu spüren, die von seinem Körper ausstrahlte. Durch ihre Wolljacke hindurch spürte sie das Kreisen seiner Hand, ein zärtliches Streicheln, ein wie fragendes Sich-Vortasten.
    Was sollte sie tun? Sagte sie, ihr sei nun doch ziemlich kalt, so würde er sicher aufhören. Sagte sie nichts, so nahm er das zweifellos als ihr stillschweigendes Einverständnis. Nun, sie war jung, sie wollte endlich etwas von der Liebe schmecken. Und dieser Mann hier, war er nicht der einzige, der sie außer Ralph je interessiert hatte? Warum also sollte sie sich nicht von ihm küssen lassen, sehen, wie seine Küsse waren? Nur eines wünschte sie sich dabei: daß seine Küsse anders waren, daß sie nicht so waren wie die Küsse von Ralph!
    Luke nahm ihr Schweigen als das, was es in der Tat war. Und er nahm sie in beide Arme, drehte sie sacht herum, beugte sich zu ihr. So also, dachte sie, fühlt sich ein Mund wirklich an? Und ein Kuß ist nicht mehr als eine Art Druck, Lippe auf Lippe? Aber wie, wie sollte sie ihre Zuneigung ausdrücken? Sie bewegte ihre Lippen unter seinen Lippen, und wünschte sofort, sie hätte es nicht getan. Denn er öffnete den Mund, öffnete ihn weit, zwang mit seinen Zähnen und seiner Zunge ihre Lippen auseinander, und dann, dann fühlte sie, wie seine Zunge in ihrem Mund herumglitt. Widerlich. Warum war es so anders gewesen, als Ralph sie geküßt hatte? Nie, nein, nie wäre ihr eingefallen, daß dies so feucht und ekelhaft sein könne. Aber warum, wenn es ihr doch zutiefst widerstrebte, drängte ihr Körper dennoch zu ihm? Warum tat das Fleisch, was der Verstand so nachdrücklich verwarf?
    Luke war sich ihrer zwiespältigen Reaktion durchaus bewußt. Was immer es bei ihr auch sein mochte, es schien ratsam, die Taktik ein wenig abzuändern. Und so ließ er

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