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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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gar kein Ausdruck! Weißt du, daß es fast eine Woche her ist, seit ich das letzte Mal gegessen habe?« »Dann mache ich dir einen Vorschlag. Nimm ein Bad, zieh dir ein frisches Kleid an, und dann wollen wir doch mal sehen, ob Dungloe dir gefällt.«
    Gleich neben dem Hotel war ein chinesisches Restaurant, und dort machte Meggie zum ersten Mal in ihrem Leben Bekanntschaft mit der asiatischen Küche. Ausgehungert wie sie war, hätte sie wohl alles in sich hineingeschlungen, was auch nur einen leidlichen Geschmack besaß, aber dies hier, dies war einfach großartig. Es war so wunderbar, daß sie es auch gegessen hätte, wenn’s Rattenschwänze und Haifischflossen und Hühnereingeweide gewesen wären - wenigstens hatte man sich’s so immer in Gilly erzählt. Aber in Gilly gab’s an
    Besonderheiten dieser Art nur ein griechisches Restaurant, an dem gar nichts so Besonderes war, denn dort bekam man Steak und Chips. Luke hatte aus dem Hotel zwei Flaschen Bier mitgebracht, und er bestand darauf, daß sie ein Glas davon trank, obwohl sie Bier nicht mochte.
    »Sei ja vorsichtig mit Wassertrinken«, sagte er eindringlich. »Vom Bier kriegst du keinen Durchfall.«
    Nach dem Essen nahm er ihren Arm und führte sie stolz durch Dungloe, ganz als ob es ihm gehöre. Aber nun ja, er stammte ja aus Queensland, da schien das verständlich.
    Was für ein Ort war dieses Dungloe doch! Seinem ganzen Charakter nach schien es den Städten im Westen weitgehend unähnlich zu sein. In der Größe Gilly vergleichbar, folgten die Häuser jedoch nicht endlos einer Hauptstraße, sondern waren gleichsam zu Blöcken von quadratischer Form geordnet, sämtlich weiß und nicht braun, nicht nur die Wohnhäuser, sondern auch die Geschäfte und Läden. Die Fenster schienen eigentlich nur Fensterblenden zu sein, luftdurchlässige Holzgebilde also, und offenbar aus eben diesem Grund bevorzugt. So hatte jedes noch so leichte Lüftchen Zutritt ins Hausinnere. Zum Teil, beim Kino zum Beispiel, sahen sogar die Dächer und die Wände so ähnlich aus, eher wie Gitter- oder Lattenwerk. Rundum war die Stadt von Dschungel umschlossen, echtem Dschungel. So konnte es auch wenig verwundern, daß man überall Ranken und Kletterpflanzen sah, an Pfosten wanden sie sich hinauf, über Dächer schlängelten sie sich hinweg, an Mauern hafteten sie fest. Bäume wuchsen mitten auf der Straße. Manchmal hatte man um sie herum ein Haus gebaut, vielleicht auch waren sie durch das Haus hindurchgewachsen. Es schien unmöglich, zu sagen, was zuerst dagewesen war, die Bäume oder die menschlichen Behausungen. Denn wenn es einen überwältigenden Eindruck gab, dann diesen: daß nichts diese ungeheure und wie hektische Vegetation in Schach halten konnte. Kokospalmen wuchsen hier höher als die mächtigen Geister-Eukalypten auf Drogheda, und die Palmwedel schwankten vor einem tiefblauen Himmel. Wohin Meggie auch blickte, überall schien es vor Farben geradezu zu explodieren. Nein, dies hier war kein Land in Braun und Grau. Jede Baumart schien in Blüte zu stehen, purpur-, orange- und scharlachfarben, rosa, blau und weiß. Es gab viele Chinesen in schwarzen Seidenhosen, winzigen schwarzweißen Schuhen und weißen Strümpfen, weißen Hemden mit sogenannten Mandarin-Kragen, und mit Zöpfen, die ihnen ein kleines Stück auf den Rücken hingen. Männer und Frauen sahen einander so ähnlich, daß Meggie sie kaum unterscheiden konnte. Fast der gesamte Handel des Ortes schien in den Händen von Chinesen zu liegen. Ein Kaufhaus, wie es das in dieser Art in Gilly überhaupt nicht gab, trug einen chinesischen Namen. AH WONG’S stand auf dem Schild.
    Alle Häuser standen auf hohen Pfählen, ähnlich wie das alte Haus für den Oberviehtreiber auf Drogheda. Luke erklärte, weshalb das so war. Erstens sorgte man auf diese Weise für eine bessere Luftzirkulation, und zweitens konnte man dadurch die Termiten abwehren, denen ein neuerrichtetes Haus sonst bereits nach einem Jahr zum Opfer gefallen wäre. Oben an jedem Pfahl war rundherum Blech befestigt, und zwar mit herabgebogenen Rändern: eine sichere Sperre gegen Termiten, da sie ihren Körper in der Mitte nicht krümmen und also auch nicht weiterkriechen konnten zum eigentlichen Haus. Natürlich zerfraßen sie die Pfähle, doch die ließen sich dann jeweils ersetzen, und das war wesentlich bequemer und vor allem auch billiger, als wenn man ein neues Haus bauen mußte. Die meisten Gärten sahen gar nicht wie Gärten aus, sondern wie ein Stück

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