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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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saß sie, und am Ende fiel dann immer der Vorhang, ohne daß sich auch nur das Geringste ereignet hatte.
    Dabei ließ sich keineswegs behaupten, daß sie sich so sehr nach ihm gesehnt hätte. Sie fand nur, Eheleute gehörten, wenn es denn schon die Umstände nicht anders gestatteten, zumindest am Sonntag zusammen. Weshalb kam er nur nicht? Dachte er überhaupt nicht mehr an sie? Aber sie konnte sich den Grund schon denken. Er war es ganz einfach leid. War es leid, daß sie schrie, wenn er zu ihr kam - so wie Männer, im Bett, nun einmal zu einer Frau kamen. So weh es auch getan hatte vor Wochen im Hotel, jetzt wünschte sie plötzlich, sie hätte sich lieber die Zunge abgebissen, statt auch nur einen Mucks von sich zu geben.
    Genau in dieser Weise entwickelte sich das bei ihr: Zuerst war sie wütend auf ihn, wegen seiner Gleichgültigkeit ihr gegenüber; dann begann sie, manches zu bereuen; und schließlich gab sie sich selbst die ganze Schuld.
    Am vierten Sonntag hatte sie keine Hoffnung mehr. Statt sich wieder ihr feinstes Seidenes anzuziehen, schlüpfte sie wie inzwischen gewohnt in Shorts und Oberteil und ging barfuß in der Küche umher, eifrig damit beschäftigt, für Luddie und Anne ein warmes Frühstück zu machen. Als sie auf der Hintertreppe Schritte hörte, wandte sie der Pfanne mit dem brutzelnden Speck den Rücken zu - und starrte dann diesen großen und so stark behaarten Menschen dort im Türrahmen wie fassungslos an. Luke? War das Luke? Er wirkte wie aus Stein gemeißelt, gar nicht mehr menschlich. Doch das Standbild durchquerte die Küche, gab ihr einen schmatzenden Kuß und setzte sich an den Tisch. Sie schlug ein paar Eier in die Pfanne und tat noch mehr Speck dazu.
    Anne Müller kam in die Küche und lächelte höflich. Innerlich kochte sie jedoch: So ein Kerl - seine junge Frau so lange zu vernachlässigen.
    »Das ist aber schön«, sagte sie. »Ich meine, daß Sie Ihre Frau doch nicht ganz vergessen haben. Kommt mit auf die Veranda, ihr beiden, und frühstückt zusammen mit Luddie und mir. Luke, helfen Sie Meggie den Speck und die Eier tragen. Mit dem Toaster komme ich schon selber zurecht.«
    Ludwig Müller war zwar in Australien zur Welt gekommen, konnte seine deutsche Herkunft jedoch nicht gut verleugnen. Er hatte hellblaue Augen, einen ziemlich kantigen grauhaarigen
    Kopf, und seine rötliche Hautfarbe verriet, daß ihm die Kombination von Bier und Sonne denn doch nicht so ganz bekam. Beide Müllers hatten Meggie inzwischen ins Herz geschlossen, und voll Dank registrierte Luddie, daß Anne immer mehr auflebte, seit dieser kleine Goldschopf im Haus war.
    »Wie geht’s denn so mit dem Zuckerrohrschneiden, Luke?« fragte er, während er sich Ei und Speck auf den Teller tat. »Wenn ich Ihnen sage, daß es mir gefällt, glauben Sie’s mir dann auch?« fragte Luke lachend zurück.
    Luddie musterte ihn aufmerksam. Aus seinem Blick sprach viel Lebenserfahrung. »Durchaus«, erwiderte er. »Ihrem Temperament und Ihrem Körperbau nach ist das für Sie genau das Richtige, glaube ich. Sie fühlen sich anderen Männern überlegen.« Er war ein Menschenkenner und verstand es, seine eigenen Beobachtungen mit den Erkenntnissen anderer zu vergleichen und dadurch auf ein festeres Fundament zu stellen. Was bei ihm wohl niemand so ohne weiteres vermutet hätte: Eifrig las er die Werke von Freud und Jung, von Huxley und Russell.
    »Ich dachte schon, Sie wollten Meggie überhaupt nie besuchen«, sagte Anne und strich sich halbflüssige Butter auf ihre Toastscheibe. Anders als in diesem Zustand ließ sich Butter hier oben nicht aufbewahren - immer noch besser als gar keine Butter. »Nun, Arne und ich wurden uns einig, eine Zeitlang auch sonntags zu arbeiten. Morgen fahren wir nach Ingham.« »Was natürlich heißt, daß die arme Meggie Sie nicht oft sehen wird.« »Meg versteht schon. Wird ja nur so für zwei Jahre sein, und uns bleibt ja die Sommerpause. Arne sagt, für die Zeit kann er mir Arbeit bei der CSR in Sydney besorgen, und vielleicht nehme ich Meg dann mit.« »Warum müssen Sie so hart arbeiten, Luke?« fragte Anne.
    »Muß das Geld zusammenbekommen für meinen Besitz draußen im Westen, bei Kynuna. Hat Meg nichts davon erzählt?« »Ich fürchte, unsere Meggie erzählt nicht viel über private Dinge. Aber erzählen Sie doch, Luke.«
    Es brauchte nur einen kleinen Anstoß, um Lukes Beredsamkeit gleichsam ins Rollen zu bringen, denn zumindest in diesem Punkt war er beredsam. Er sprach von dem

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