Die Dornenvögel
Echo, das nicht verklingen wollte.
»Frank? Was ist mit ihm?« fragte Fee sehr gefaßt.
Meggie hatte ihre Stricksachen aus der Hand gelegt. Sie blickte zu ihrer Mutter, dann zu Ralph. »Erzähl schon«, sagte sie. Sie sprach hastig. Anders als ihre Mutter, konnte sie die plötzliche Anspannung kaum noch eine Sekunde länger ertragen.
»Ich weiß nicht, ob euch allen wirklich bewußt ist, daß Frank inzwischen seit fast dreißig Jahren im Gefängnis sitzt«, sagte der Kardinal. »Bevor ich von Australien fortging, gab ich Anweisung, mich über alles Wichtige, das ihn betraf, auf dem laufenden zu halten, und das hat man auch getan. Euch wollte ich nicht unnötig beunruhigt sehen durch Einzelheiten, die kaum sehr tröstlich wirken konnten, seine Einsamkeit, seine Verzweiflung. Denn keiner von uns war imstande, seine Lage zu ändern. Hätte er sich nicht damals in den ersten Jahren im Goulburner Gefängnis den Ruf erworben, gewalttätig und labil zu sein, so hätte man ihn wohl schon vor geraumer Zeit freigelassen, spätestens im Krieg, denn da kam ja so mancher Häftling auf freien Fuß, um in der Armee zu dienen. Den armen Frank jedoch wies man zurück.«
Fee hob den Blick von ihren Händen. »Das liegt nun mal in seinem Charakter, dieser Jähzorn«, sagte sie. Ihre Stimme klang nach wie vor ruhig und ausdrucksleer.
Der Kardinal schien Mühe zu haben, die richtigen Worte zu finden. Während er noch überlegte, beobachteten ihn die anderen in einer eigentümlichen Mischung aus Furcht und Hoffnung. Allerdings war es nicht Franks Wohlergehen, um das sie sich Sorgen machten.
»Ihr werdet euch sicher gefragt haben und noch immer fragen, weshalb ich nach all diesen Jahren wieder nach Australien gekommen bin«, sagte er schließlich, ohne Meggie anzublicken. »Nun, seit ich euch kenne, habe ich eigentlich immer zuerst an mich selbst gedacht und mir selbst den Vorrang gegeben. Als der Heilige Vater mich wegen meiner Mühen und vielleicht auch Verdienste um die Kirche mit der Ernennung zum Kardinal belohnte, fragte ich mich, ob es nicht irgend etwas gab, wodurch ich der Cleary-Familie beweisen konnte, wie teuer sie mir ist.« Er atmete tief, heftete seinen
Blick auf Fee, nicht auf Meggie. »Ich kam wieder nach Australien, um zu sehen, was ich wegen Frank tun konnte. Erinnern Sie sich, Fee, wie ich damals nach Paddys und Stuarts Tod zu Ihnen sprach? Zwanzig Jahre ist es inzwischen her, aber ich habe nie den Ausdruck in Ihren Augen vergessen können. Soviel Energie und Vitalität, einfach zermalmt.«
»Ja«, sagte Bob abrupt und richtete den Blick auf seine Mutter. »Ja, das ist es.«
»Frank wird begnadigt«, sagte der Kardinal. »Es war das einzige, was ich tun konnte, um zu zeigen, was ich empfinde.« Falls er von Fees Seite eine starke Reaktion erwartet hatte, ein Aufblitzen in den Augen, ein Zerreißen ihrer gewohnten Gleichgültigkeit, so mußte er enttäuscht sein. In den Augen zeigte sich nur ein leises Flackern, und viel mehr durfte man bei ihrem Alter wohl überhaupt nicht erwarten. Doch in den Augen ihrer Söhne gewahrte er etwas, das ihn eigentümlicherweise an jenen Tag kurz vor Kriegsende erinnerte, als er dem jungen deutschen Soldaten mit dem so eindrucksvollen Namen begegnet war. Eine Art Widerschein schien es zu sein, etwas, das wohl Sinn und Zweck seiner Bemühungen bestätigte. »Danke«, sagte Fee.
»Werdet ihr ihn auf Drogheda willkommen heißen«, fragte er die Cleary-Männer.
»Dies ist sein Zuhause, und hier sollte er also auch leben«, erwiderte Bob.
Alle außer Fee nickten zustimmend; sie schien irgendeiner inneren Vision nachzuhängen.
»Er ist nicht mehr derselbe Frank«, fuhr der Kardinal behutsam fort. »Ich habe ihn im Goulburner Gefängnis besucht, bevor ich hierherkam. Und ich mußte ihm natürlich sagen, daß seine Familie über sein Schicksal im Bilde war. Nun, die Tatsache, daß er das keineswegs widerspenstig aufnahm, mag als Anzeichen dafür dienen, wie sehr er sich verändert hat. Er war ganz einfach ... dankbar. Und er freute sich so sehr darauf, seine Familie wiederzusehen, vor allem Sie, Fee.«
»Wann wird man ihn entlassen?« fragte Bob und räusperte sich. Deutlich waren ihm die widerstreitenden Gefühle anzumerken, die Freude für seine Mutter und die Besorgnis, was wohl geschehen mochte, wenn Frank nach Drogheda zurückkehrte. »In ein oder zwei Wochen«, erwiderte der Kardinal. »Er wird mit dem Abendzug kommen. Ich sagte ihm, er solle doch fliegen, aber er meinte, der
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