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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Zug sei ihm lieber.«
    »Patsy und ich werden ihn abholen«, sagte Jims eifrig und machte dann ein betroffenes Gesicht. »Oh! Wir wissen ja gar nicht, wie er aussieht!«
    »Nein«, sagte Fee. »Ich werde ihn selbst abholen, und zwar allein. Ich bin wirklich noch nicht so gebrechlich, daß ich nicht mit dem Wagen nach Gilly fahren könnte.«
    »Mum hat recht«, erklärte Meggie, bevor ihre Brüder protestieren konnten. »Sie soll ihn allein abholen. Denn sie hat das Recht, ihn als erste zu sehen.«
    Fees Reaktion war ganz und gar nicht untypisch. »Ich habe noch zu arbeiten«, sagte sie schroff, stand auf und ging zum Schreibtisch. Die fünf Brüder erhoben sich sofort. »Na, ich glaube, für uns wird’s Zeit, ins Bett zu gehen«, meinte Bob und gähnte demonstrativ. Er blickte den Kardinal mit einem scheuen Lächeln an. »Wenn Sie morgen früh die Messe halten, wird’s wieder ganz wie in alten Zeiten sein.«
    Meggie tat ihre Strickarbeit endgültig fort und stand auf. »Auch ich sage gute Nacht, Ralph.«
    »Gute Nacht, Meggie.« Seine Augen folgten ihr, als sie den Raum verließ, und glitten dann zu Fee, zu dem über die Schreibplatte gekrümmten Rücken. »Gute Nacht, Fee.« »Wie bitte? Haben Sie etwas gesagt?« »Ich habe gute Nacht gesagt.« »Oh! Gute Nacht, Ralph.«
    Er wollte nicht so unmittelbar hinter Meggie nach oben gehen. »Ich glaube, ich mache noch einen kleinen Spaziergang, bevor ich mich schlafen lege. Und wissen Sie, was, Fee?« »Nein.« Ihre Stimme klang abwesend. »Sie können mich keine Minute narren.«
    Ihr Lachen klang wie ein Schnauben, ein sonderbarer, fast unheimlicher Laut. »Wirklich nicht? Nun, das frage ich mich.« Er ging hinaus. Recht spät war es inzwischen doch geworden, und er stand im Freien und betrachtete den südlichen Sternenhimmel, der ihm nach all den Jahren ein für allemal entfremdet zu sein schien. Ja, da waren sie noch, die Sterne, genau wie früher - wie denn auch nicht. Viel näher bei Gott waren sie, doch er hatte Mühe, sich an sie zu erinnern. Sehr lange stand er, lauschte auf den Wind in den Bäumen, lächelte.
    Als er schließlich zurückging, versuchte er aus irgendeinem Grund, jeder möglichen Begegnung mit Fee von vornherein aus dem Weg zu gehen, und so benutzte er die Treppe auf der anderen Seite des Hauses. Doch durch eine Türöffnung konnte er Fee im Salon sehen, an ihrem Schreibtisch, noch immer arbeitend. Arme Fee. Wie sehr scheute sie davor zurück, fürchtete sie sich offenbar davor, zu Bett zu gehen. Nun, vielleicht würde das besser werden, wenn Frank nach Hause kam. Vielleicht.
    Auf dem Treppenpodest oben empfing ihn eine tiefe Stille. Durch ein Fenster strich Windhauch herein, die Vorhänge bauschten sich, eine Lampe flackerte leise. Er ging weiter, über den dicken, schweren Teppich, der das Geräusch seiner Schritte fast bis zur völligen Lautlosigkeit dämpfte.
    Die Tür zu Meggies Zimmer war weit geöffnet. Er trat ein, glitt gleichsam hinüber vom gedämpften Lichtkreis auf dem Podest in den helleren Schein hier im Raum. Für einen kurzen Augenblick stand er sehr still. Dann machte er die Tür hinter sich zu, schloß ab. Meggie, in einem Morgenrock, saß am Fenster. Sie drehte den Kopf und beobachtete, wie er zum Bett ging und sich auf den Rand setzte. Langsam erhob sie sich und trat zu ihm.
    »Warte, ich helfe dir beim Ausziehen der Stiefel. Das ist auch der Grund, weshalb ich nie kniehohe trage. Ich meine, zum Ausziehen brauche ich da einen Stiefelknecht, und das ruiniert das gute Leder.« Er blickte auf ihren Morgenrock. »Du hast eine sehr starke Vorliebe für diese Farbe, nicht wahr?«
    »Asche der Rosen.« Sie lächelte. »Das war schon immer meine Lieblingsfarbe. Beißt sich nicht mit meiner Haarfarbe.« Während sie ihm aus den Stiefeln half, fragte er: »Warst du so sicher, daß ich zu dir kommen würde?«
    »Auf Drogheda gehörst du mir. Das habe ich dir damals ja gesagt. Wärst du nicht zu mir gekommen, wäre ich zu dir gekommen, das darfst du mir glauben.«
    Sie beugte sich zu ihm, zog ihm sacht das Hemd über den Kopf. Zwei oder drei Sekunden lang ließ sie ihre Hand auf seinem nackten Rücken ruhen, genoß zutiefst das so intensive Gefühl des Sinnenhaften. Dann löste sie sich von ihm, trat zum Tisch mit der Lampe, ließ sie verlöschen. Während er sich ganz entkleidete, hörte er ein leises Geräusch. Meggie schlüpfte aus ihrem Morgenrock. Und morgen früh werde ich die Messe lesen. Aber das ist erst morgen früh, und jenes

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